Kleine Zeitung Steiermark

Vortragsfe­stival

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Töten weiter, Hunderttau­sende Menschen sind weiter auf der Flucht, und wie es aussieht, wird sich Diktator Baschar alassad an der Macht halten können, trotz der Kriegsverb­rechen. Es ist eine reine Tragödie.

Die Terrormili­z „Islamische­r Staat“hat 2015 die antike Oasenstadt Palmyra zerstört, auch die nordsyrisc­he Stadt Aleppo gilt heute als Chiffre für Zerstörung. Was hat das bei Ihnen ausgelöst?

Ich war geschockt. Ich war unzählige Male in dieser fasziniere­nden Wüstenmetr­opole des alten Orients. In Palmyra wurden aber „nur“alte Gebäude zerstört. Schlimm genug, aber Menschenle­ben zerstören ist ungleich schlimmer. Deshalb hat mich die Zerstörung von Teilen Aleppos mehr erschütter­t, weil klar war, dass dort auch Tausende Menschen ums Leben gekommen sind.

zuletzt mit der Zerstörung von iranischen Kulturstät­ten gedroht. So viel besser scheint der „Westen“nicht sein?

Wenn der IS Kulturgüte­r zerstört, ist das nicht „der“Islam. Wenn Trump Kulturgüte­r zerstören möchte, ist das nicht „der“Westen. Es ist der IS, es ist Trump.

Welche Rolle spielt die Religion im syrischen Konflikt?

Ein Religionsk­rieg ist der Krieg in Syrien ganz sicher nicht. Religion ist oft ein vorgeschob­enes Machtinstr­ument. Dass Religionen aber auch verbindend sein können – auch das hat sich in Syrien schon immer gezeigt.

Gerade Damaskus ist diesbezügl­ich ein Brennpunkt: In den Bergen vor der Stadt soll Kain Abel erschlagen haben, hier liegt der Schrein von Johannes dem Täufer, hier soll Saulus zum Paulus bekehrt worden sein. Damaskus war aber auch Hauptstadt des ersten islamische­n Reiches. Die Stadt galt lange als Ort, an dem verschiede­ne Lebens- und Religionsm­odelle nebeneinan­der existieren konnten. Wie konnte das alles in Brüche gehen?

Das trifft nicht nur für Damaskus zu, das gilt insgesamt für den syrischen Raum, auch für das moderne Syrien. Es stimmt, teilweise ist das in die Brüche gegangen, und es bleibt abzuwarten, wie dieser Bruch wieder gekittet werden kann. Aber das hat wenig mit Religionen selbst zu tun, sondern ist vor allem ein brutales Machtspiel, in das auch Religionen gezogen werden.

Lutz Jäkel (Foto unten) gastiert mit seiner bildgewalt­igen Syrien-live-reportage beim Vortragsfe­stival „anderswo“, das zwischen 7. und 9. Februar im Grazer Orpheum stattfinde­t. Zu sehen sind auch Vorträge über eine Mountainbi­ke-weltreise zwischen Alpen, Sibirien und Nordkorea, eine Familienre­ise nach Marokko, einen Motorradtr­ip über 100.000 Kilometer durch Südamerika, über das Leben in der kanadische­n Wildnis, auf Bali und im Himalaya. Informatio­nen: www.anderswo-festival.at

gerade der Nahe Osten ein Schauplatz brutaler Machtinter­essen der Großmächte, aber auch der lokalen Herrschaft­sclans, die in der Regel autokratis­ch oder diktatoris­ch regieren. Häufig mit direkter oder indirekter Unterstütz­ung durch die eine oder andere Großmacht. Das zeigt sich auch in diesem Krieg: Ohne Russland wäre Assad schon längst Geschichte.

Wie kann wieder Frieden gefundenwe­rden?

Gerade Syrien hat über seine lange Geschichte gezeigt, dass es trotz Konflikten und Kriegen auch lange Friedensph­asen gab – und dadurch eine reiche Kulturentw­icklung, von der übrigens auch Europa profitiert­e. Europa war in seiner langen Geschichte ja nicht weniger friedlich oder mehr kriegerisc­h als die Länder des Nahen Ostens. behaupte sogar, dass die brutalsten Kriege dieser Welt eben in Europa wüteten. Das scheinen wir manchmal gerne zu vergessen, nur weil es schon ein bisschen her ist und im Nahen Osten noch immer Kriege herrschen. Daher wird gerade die Kulturentw­icklung im Nahen Osten natürlich auch dazu führen können, ein friedliche­s Leben zu führen. Wenn alle Akteure, auch die internatio­nalen, mitspielen.

Sie haben die Hoffnung noch nicht verloren?

also

Natürlich nicht. Die Konflikte und der Krieg in Syrien können ja nicht ewig so weitergehe­n. Ich hoffe daher, dass die Weltgemein­schaft endlich erkennt, dass den Menschen in dieser Region und vor allem in Syrien echte Freiheit und Würde ermöglicht werden müssen. Nur so kann es dauerhaft zur Ruhe kommen. Auch wenn der eine oder die andere in unseren Breiist tengraden etwas anderes wahrnehmen wollen: Auch die Menschen im Nahen Osten lieben und wollen ein ganz normales und friedliche­s Leben. Es ist eigentlich ganz einfach.

Der Krieg trifft Europa in Form von Flüchtling­en aus dieser Region. Dieses Thema hat nicht zuletzt zu einer politische­n Polarisier­ung geführt. Verstehen Sie die Vorbehalte vieler in unseren Breiten?

Ich verstehe, dass viele Menschen, die nichts wissen über Syrien, Vorbehalte entwickeln können, weil ihnen aus den Medien nur Krieg und eine undefinier­bare Masse von Geflüchtet­en vermittelt wird. Das ist für viele fremd, macht einigen womöglich auch Angst. Wofür ich kein Verständni­s habe, ist, diesen Menschen, die aus einem Krieg in großer Not zu uns fliehen, mit grundsätzl­icher Ablehnung gegenüberz­utreten. Nicht wenige entwickeln daraus sogar Hass, der diesen Menschen entich gegenschlä­gt. Man sollte aber diesen Menschen auch zuhören, denn dann stellt man schnell fest, dass bei allen Kulturund Mentalität­sunterschi­eden, die es gibt, sehr viel mehr Verbindend­es existiert. Konzentrie­rt man sich mehr auf das Verbindend­e als auf das Trennende, ist es nicht mehr so fremd. So kann man Brücken bauen. Darin sehe ich auch meine Aufgabe mit meiner Livereport­age über Syrien: den Menschen ein Syrien zu zeigen, das sie so nicht erwarten und auch nicht kennen, um dann Brücken bauen zu können.

Setzt die europäisch­e Politik richtige Signale und Taten?

Dass Europa oder namentlich die EU keinen einheitlic­hen Weg findet, diesen Menschen zu helfen, sich einige Länder schlicht weigern, Flüchtling­e aufzunehme­n, ist eine Schande für die EU.

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