Kleine Zeitung Steiermark

Die Seele eines Menschen“

- Von Bernd Melichar

Stefan Horvath (70) hat einen Sohn beim Attentat von Oberwart verloren. Seither ist es seine Lebensaufg­abe,

sich zu erinnern und Worte der Versöhnung zu finden.

Der 4. Februar 1995 war ein scheußlich­er Tag: Regnerisch, kalt, Nebeltüche­r verhüllten die Felder. Als Peter Sarközi, Josef Simon, Karl Horvath und Erwin Horvath aus der Roma-siedlung am Rande von Oberwart in der Nacht ein verdächtig­es Geräusch hörten, wagten sie sich dennoch ins Freie, um Nachschau zu halten. Auf der Straße entdeckten sie einen Gegenstand mit einer Tafel: „Roma zurück nach Indien“. Sie wollten diese Beleidigun­g entfernen – und in diesem Moment ging die mörderisch­e Sprengfall­e los. Die vier Männer

hatten keine Überlebens­chance, sie wurden buchstäbli­ch zerfetzt.

25 Jahre später. Zumindest das Wetter hat sich gebessert. Die Sonne strahlt fast unverschäm­t und taucht diesen schrecklic­hen Ort in ein mildes Licht. „Sie lagen sternförmi­g dort“, sagt jetzt Stefan Horvath. Einer der Getöteten war sein Adoptivsoh­n. Peter Sarközi, 27 Jahre alt. Stefan Horvath kam damals Minuten nach der Explosion hierher, sah das Grauen, die Leichentei­le, die aufgerisse­nen Leiber. „Aber ich konnte nicht denken, konnte nicht weinen, ging weg, kam erst eine Stunde später wieder.“Und dann geschah etwas, das man rational nicht erklären kann, was aber für Stefan Horvath zur lebensverä­ndernden Realität wurde. „An diesem Ort, wo mein zerfetztes, totes Kind lag, tauchte plötzlich vor meinen Augen ein riesiges Konzentrat­ionslager auf, und hinter dem Stacheldra­htzaun sah ich meine Volksgrupp­e. Und diese Roma begannen zu reden, erzählten von ihrem Leid und verlangten von mir, dass ich nicht wegschauen soll wie all die anderen Roma zu

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