Zum Nachlesen
vor. Ich glaubte, an einer Halluzination zu leiden.“as Leben von Stefan Horvath vor diesem unglaublichen Ereignis: Eingeschult 1956, hätte er – wie damals automatisch alle Romakinder – in die Sonderschule abgeschoben werden sollen, traf aber auf einen Volksschullehrer, der ihn förderte und später sagte: „Du gehst in die Hauptschule.“Stefan Horvaths erster Schultag dort dauerte genau zehn Minuten: „Dann kam der Direktor und brüllte: ,Wir brauchen keine Zigeuner hier!‘“Doch der Lehrer intervenierte energisch – und Horvath durfte bleiben. „Ich war somit das erste Zigeunerkind im Südburgenland, das in die Hauptschule ging.“Die HTL wäre der nächste Schritt gewesen, doch das scheiterte am Geld. „Das Internat hätte 120 Schilling gekostet, und mein Vater verdiente 150 Schilling im Monat.“Also pendelte Stefan Horvath fortan nach Wien, arbeitete am Bau, wurde später Polier und Betriebsrat. 30 Jahre lang. Bis zu diesem 4. Februar 1995. „Bis zu diesem Zeitpunkt war ich einer der Stillsten in der Siedlung. Aber nach dem Anschlag wusste ich, dass ich mein bisheriges
DLeben nicht mehr kann.“tefan Horvath begann, Bücher zu schreiben, arbeitete die Geschichte der Elterngeneration auf, durchschnitt den Zaun des Schweigens der Roma über die Ns-zeit mit Worten. Er erzählte von der Mutter, die im KZ von Auschwitz dem Mörderarzt Mengele gegenüberstand, und dieser meinte, er wolle sich an ihr nicht die Finger schmutzig machen. „Du sollst beim Arbeiten krepieren.“Die Mutter kam später ins Frauen-kz Ravensbrück und überlebte – ebenso wie Horvaths Vater.
SIm Verlag „edition lex liszt 12“sind zahlreiche Publikationen über die Volksgruppe der Roma in Vergangenheit und Gegenwart erschienen.
Die Erzählung „Katzenstreu“von Stefan Horvath ist eine Aufarbeitung der Geschehnisse rund um den Anschlag. Vor allem beschäftigt sich Horvath in diesem Buch mit der
aufrechterhalten
Person des Franz Fuchs. Das Buch gibt es auch als Hörspiel mit Karl Markovics in der Rolle des Attentäters.
Der Sammelband „Das Attentat von Oberwart – Terror, Schock und Wendepunkt“ist eine Aufarbeitung der Ereignisse mit Beiträgen von Gerhard Roth, Doron Rabinovici, Paul Iby u. v. a.
Dann begann Stefan Horvath, das nächste Trauma in Sätze zu gießen: das Attentat vom 4. Februar 1995. „Diesen Mann, Franz Fuchs, zu hassen, wäre der einfache Weg gewesen, aber der falsche.“Stefan Horvath ging den schwierigen, für ihn schmerzhaften, aber notwendigen Weg: Er war jeden Tag beim Prozess in Graz, er besuchte die Eltern von Franz Fuchs, versuchte zu verstehen und suchte im Verstehen die Versöhnung. „Hass tötet die Seele eines Menschen“, sagt Stefan Horvath. „Man muss versuchen, die Menschen zu lieben. Und Franz
Fuchs war offenbar ein Mensch, der sich nie geliebt fühlte.“m grellen Sonnenlicht steht das Mahnmal, das in Gedenken an die vier getöteten Männer errichtet wurde. Rund 40 Roma leben heute noch in der Siedlung, vorher waren es 120. Was hat sich seither verändert, hat sich die Situation der Bewohner verbessert? Stefan Horvath überlegt. „Die große Zäsur ist ausgeblieben. Aber es hat sich einiges verbessert. Die Situation an den Schulen etwa oder am Arbeitsmarkt.“Und was sich noch verändert: die Erinnerungskultur. „Meine Eltern haben das Trauma der Nszeit lange nicht aufgearbeitet, und später ist lange nicht über das Attentat und seine Folgen gesprochen worden. Aber jetzt beginnen die Jungen langsam nachzufragen.“Stefan Horvath hat drei Söhne im Laufe der Jahrzehnte verloren, „und von keinem konnte ich mich verabschieden“. Am schmiedeeisernen Kreuz, das er errichten ließ, zündet er jetzt eine Kerze für Peter an. Für all das, was seiner Volksgruppe und ihm selbst an Leid widerfahren ist, hat Stefan Horvath nach Worten gesucht und auch gefunden. Aber jetzt schweigt er.
I
Der Dissens erfolgte auf offener Bühne. „Es gibt Gemeinsamkeiten und Unterschiede“, gab Gastgeberin Angela Merkel nach dem Gespräch mit ihrem Gast Sebastian Kurz ganz unumwunden zu. Auch der brachte die Differenzen offen zur Sprache. „Eine Neuauflage der Eu-rettungsmission Sophia im Mittelmeer lehnen wir ab“, sagte der Kanzler in Berlin. Die Kanzlerin hatte eine solche Mission angeregt – auch, um das im Jänner auf einer internationalen Konferenz in Berlin vereinbarte Un-waffenembargo für Libyen umzusetzen. Er sehe nicht, was eine „Kontrollfunktion mit einer Rettungsfunktion zu tun habe“, sagte Kurz knapp und die deutsche Kanzlerin schluckte.
Dennoch war vieles anders beim Besuch des gerade erneut angelobten Regierungschefs aus Österreich. In den schwarzblauen Zeiten galt schon allein eine Reise des deutschen Innenministers Horst Seehofer nach Wien als Provokation gegen Merkel und ihre Flüchtlingspolitik. Nun gibt sich nicht nur Seehofer altersmilde. Kurz regiert in Wien mit neuem Partner. „Grenzschutz und Klimaschutz“, umschrieb er das Programm von Türkis-grün und schob hinterher: „Hundert Prozent Erneuerbare im Jahr 2030, klimaneutral bis 2040.“Vor solchen Ambitionen schrumpfte Merkel zur Klimakanzlerin a. D.
Von einem „sehr guten Gespräch“sprach Merkel und gestattete dem Gast, dass er nicht nur die europäische Finanztransaktionssteuer auf Börsengeschäfte rügte, sondern gleich auch den federführenden deutschen Finanzminister Olaf Scholz von den Sozialdemokra
Das Trennende war früher die gemeinsame Sprache. Inzwischen liegen zwischen Berlin und Wien noch andere Welten. Beim Besuch des Kanzlers bei der Kanzlerin müht man sich bei allem Dissens um Gemeinsamkeiten.
ten. Süffisant lobte Kurz die eigene Steuerreform. Das bekomme Deutschland derzeit nicht hin. Merkels Große Koalition ist ein Bündnis mit Restlaufzeit. Spätestens 2021 ist Schluss. Dann zieht sich auch Merkel aus der Politik zurück. So geht es ihr längst um mehr: Europa in geordnete Bahnen lenken. Selbst Änderungen der Eu-verträge schloss sie nicht mehr aus. Kurz blieb auffällig still.
Merkel verfolgt eine eigene Agenda. Im Juli übernimmt ihr Land den Ratsvorsitz unter den Eu-staaten. Dann hat Merkel sechs Monate Zeit, ihren Nachlass zu regeln. Der Brexit ist Fakt, die Etatverhandlungen bis 2027 stehen an. „Wir sind beide Nettozahler“, sagte Merkel und Kurz ergänzte: Die von der Kommission vorgeschlagenen 1,11 Prozent der jährlichen Wirtschaftskraft für den mehrjährigen Eu-etat seien „zu hoch“. 1,0 Prozent bietet Österreich mit den „Frugal 4“, den sparsamen Partnern aus Holland, Dänemark und Schweden.
Österreich macht mobil. Nach dem Brexit beginnt die