Boris Johnson setzt auf Granit
Wie weit trägt die Briten ihre eigene Umlaufbahn?
Nein, wenn Boris Johnson am Pult poltert, wird niemand diskrete Diplomatie erwarten. Schon gar nicht jetzt, da Großbritannien das alte Haus Europa endgültig verlassen hat und verloren in der Ausfahrt des Kontinents steht. Kernbotschaft seiner Rede, die er nun vor den Euhandelsgesprächen vor Wirtschaftstreibenden hielt: Dieses Brüssel hat uns per sofort nicht mehr viel anzusagen. Wenn überhaupt, bestimmen wir, was wir an Standards und Vorgaben übernehmen.
Der Premier, der Fakten gerne mit der ganz groben Feile zurechtschleift, klammert aus: Vier Millionen Eubürger leben auf der Insel. Brüssel (und wohl auch den Gewerkschaften) ist viel daran gelegen, dass für diese ausreichende Standards bei Lohn, Arbeitsbedingungen und sozialer Absicherung gewährleistet bleiben. Dass Britannia äußerst kostenseitig orientierte Unternehmen mit niedrigerer Steuerlast und laxeren Vorschriften locken könnte, wird im Rest von Europa für Groll sorgen. „Keine Zölle, keine Kontingente und kein Dumping“– so das Credo für die langwierige Phase des Feilschens.
Wie viel Distanz verträgt das (noch) vereinigte, aber abgenabelte Königreich – wie viel braucht es? Wie weit kann einen dieser neue Pfad, den „Bojo“jetzt ausleuchten muss, tragen? „Nebenbei“hat der Säbelrassler die epochale Aufgabe, sein Volk zu einen. Riesig ist zudem der Investitionsbedarf im Land. Da hätte selbst Winston Churchill seine Zigarre aus dem Mund genommen und geschluckt.
Thomas Golser