Kleine Zeitung Steiermark

Riss im Westen ist sichtbar

Die Sicherheit­skonferenz verdeutlic­ht die neuen Frontstell­ungen in der Welt. Der Ton wird rauer. Doch man will auch reden. Das zeigt der enorme Andrang auf München 2020.

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Von dieser Münchner Sicherheit­skonferenz ging ein klares Signal aus. Der Westen sinniert über sich und seine Rolle in der Welt, sieht einen Riss in den eigenen Reihen und zweifelt an der Universali­tät seiner Werte. Der Westen wird von vielen Ländern nicht mehr als einzige Blaupause für den Weg in das Paradies gesehen. Diese Sinnkrise sollte in der Wortschöpf­ung „Westlessne­ss“ihren Ausdruck finden und als Anstoß für die Diskussion­en dienen. Doch statt neue Gemeinsamk­eiten zu finden, prallen die Ansichten der Russen, Amerikaner, Chinesen aufeinande­r wie zu Zeiten des Kalten Krieges, während die Europäer fast krampfhaft um ihren Zusammenha­lt ringen.

Deshalb überrascht es, dass ausgerechn­et der Us-außenminis­ter Mike Pompeo allen Schwarzmal­ereien über den verlorenen Westen so leidenscha­ftlich widerspric­ht. Das Gerede vom Tod der Allianz sei übertriebe­n. Tatsächlic­h spricht er damit eine Neujustier­ung amerikanis­cher Politik im Verhältnis zu den europäisch­en Partnern aus. Die USA bemühen sich um mehr Einfluss jenseits des Atlantiks und um die Deutungsho­heit für den Westen und seine Werte. Sie sehen sich wieder als letzter Hüter dieser Idee und haben China als großen neuen Gegner im Kampf der Systeme ausgemacht.

Deshalb wird auch massiver Druck auf Europa ausgeübt, etwa beim Aufbau des Mobilfunkn­etzes 5G, weil Washington die Beteiligun­g des Konzerns Huawei nach Pompeos Worten als trojanisch­es Pferd empfindet. Er findet sich in diesem Punkt übrigens in einer Einheitsfr­ont mit den Demokraten wieder, während sie ja sonst überall thematisch mit den Republikan­ern diametral auseinande­rfallen. In ihrem Blick auf Huawei sehen sich die Amerikaner gemeinscha­ftlich dem Widerstand der Europäer ausgesetzt. Von einem geschlosse­nen Bollwerk des Westens gegen chinesisch­en Einfluss ist also nichts zu spüren. In dieses Bild passt ja auch, dass die Amerikaner unerschütt­erlich vom Sieg des westlichen Modells überzeugt sind, während die Europäer sich um den Zustand der Demokratie in den USA sorgen. Diese Risse hat München in aller Kürze überdeutli­ch gemacht. ie Erfolge muss man ohnehin abseits der großen Säle suchen. In vertraulic­hem Rahmen und in Vermeidung jeglicher Indiskreti­on in abgeschirm­ten Bereichen können sich Politiker, Militärs und Unternehme­r aus Ländern austausche­n, die sich nach offizielle­r Lesart nicht einmal die Hand geben dürften. Von dieser Geheimdipl­omatie dringt nichts nach außen, manchmal erfährt nur ein winziger Kreis, dass es überhaupt ein Treffen gab. Konferenzc­hef Ischinger rühmt sich zu Recht dafür, den Boden für diese Annäherung zu bereiten. Auch wenn aus München keine konkreten Ergebnisse kommen, so zeigt der Andrang auf die Sicherheit­skonferenz aus aller Welt, der so groß war wie nie, dass man miteinande­r und nicht nur übereinand­er reden will. Und das ist wiederum eine sehr erfreulich­e Botschaft.

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