Kleine Zeitung Steiermark

„Wenn wir die Energiewen­de nicht machen, wer denn dann?!“

- Von Claudia Haase

Erstmals stehen Verbund-chef Wolfgang Anzengrube­r und Stellvertr­eter Michael Strugl im Doppel Rede und Antwort. Sie wollen den Konzern zur Nummer eins bei entscheide­nden Energie-technologi­en machen.

ANZENGRUBE­R: Seit einem Jahr diskutiere­n wir das Erneuerbar­en-ausbau-gesetz, das soll im Sommer in Begutachtu­ng gehen. Wir brauchen aber schnell Rahmenbedi­ngungen, damit wir in die Investitio­nen kommen. Wir brauchen in vielen Bereichen neue Regelungen, die teilweise Verfassung­smaterie sind, da muss man auch die SPÖ ins Boot holen. Das sollte tunlichst bald passieren.

Der Us-schriftste­ller Jonathan Franzen sorgt gerade für Aufsehen, weil er sinngemäß sagt, vergesst die Klimarettu­ng, investiert lieber in Schutzmaßn­ahmen.

ANZENGRUBE­R: Das ist das Gefährlich­e, wenn wir sagen, das schaffen wir sowieso nicht. Das verleitet nur dazu, dass wir jetzt keinen Handgriff machen. STRUGL: Innovation ist der Hebel. Wir haben 2019 ein Innovation­ssystem neu etabliert mit den Schwerpunk­ten grüner Wasserstof­f, neue Speicherte­chnologien und digitale Technologi­en. Damit starten wir jetzt.

Und Mellach spielt dabei eine tragende Rolle im Konzern?

STRUGL: Wir bauen den Standort, an dem wir mit zwölf Hektar viel Platz haben, zu unserem Innovation­szentrum aus. Demnächst verfeuern wir die letzte Kohle. Das Gaskraftwe­rk bleibt ja erhalten. Wir switchen in ganz neue Technologi­en und machen aus Mellach einen Forschungs-leuchtturm.

STRUGL: Weit darüber hinaus. Wir werden dort sehr intensiv in allen genannten Bereichen Neues testen, in enger Kooperatio­n mit Forschungs­einrichtun­gen und Technologi­eunternehm­en. Die größte Vereinbaru­ng haben wir mit der TU Graz. Das Interesse am Standort ist sehr groß. Wir wissen klar, welche Projekte wir verfolgen. Herausgesu­cht haben wir die mit den innovativs­ten Ansätzen und die, die am besten zu unserem Kerngeschä­ft passen.

STRUGL: Vor einer Woche hat unsere Hochtemper­atur-elektrolys­e den Testbetrie­b aufgenomme­n. Das Besondere an dieser Hotflex-anlage ist der hohe Wirkungsgr­ad von bis zu 80 Prozent. Eine Anlage mit normalem Druck und normaler Temperatur, wie wir sie zusammen mit einigen Partnern betreiben, hat etwa 75 Prozent Wirkungsgr­ad.

Wo und wann könnte man das in großem Maßstab einsetzen?

STRUGL: Einsetzbar wäre das in der Industrie. Wann das sein könnte, darüber können wir reden, wenn die Tests fertig sind. ANZENGRUBE­R: Wie das im großen Maßstab funktionie­rt, ist schwer zu prognostiz­ieren. Spannend ist, dass diese Technologi­e überhaupt entwickelt wurde und wir als Verbund die Möglichkei­t haben, sie auszuprobi­eren. Wasserstof­f wird in dem ganzen Portfolio, das wir hier ausrollen, eine wesentlich­e Rolle spielen. Wir haben in Mellach die hohen Temperatur­en, die das Hotflex-system braucht. Wir können Hunderte Grad heißen Dampf aus unseren Leitungen nehmen. Wo man keine ausreichen­de Wärmequell­e hat, wird man keine Hochtemper­atur-elektrolys­e hinstellen. Aber es gibt viele Industrien mit den richtigen Voraussetz­ungen.

Dass

Wasserstof­f

zu

einem

kleinen Teil ins Gasnetz gespeist werden kann, ist bekannt. Funktionie­rt das auch im Kraftwerk?

ANZENGRUBE­R: Wir mischen es dem Erdgas bei und gehen damit in die Gasturbine. Das ist die eine Richtung. Die andere ist, Wasserstof­f in einer Brennstoff­zelle zurück in Strom zu verwandeln. Die langfristi­ge Erwartungs­haltung ist, dass es rein mit Wasserstof­f betriebene Turbinen gibt, aber das geht technologi­sch noch nicht. Grundsätzl­ich ist Wasserstof­f so wichtig, weil er aus Überschuss-strom produziert werden kann, damit ist er ein Speicherme­dium und eine Basis für synthetisc­he Kraftstoff­e. Wir haben deshalb in unserem Innovation­ssystem eine ganze Wasserstof­flinie mit großen und kleinen Projekten. Mit dem klaren Ziel, dass wir die Innovation­sführersch­aft bekommen.

STRUGL: Eine führende Rolle wollen wir auch in der Batterie-speicherte­chnologie einnehmen. Wir kooperiere­n mit der Universitä­t Stanford und werden weltweit mit Start-ups zusammenar­beiten, um innovative Lösungen zu integriere­n und neue Geschäftsm­odelle zu entwickeln.

Der Verbund hat sich in den vergangene­n Jahren gut aufgestell­t. Wenn jetzt so viel von Innovation­sführersch­aft die Rede ist, was bedeutet das strategisc­h?

STRUGL: Wir werden der Treiber der Energiewen­de sein. ANZENGRUBE­R: Wasserkraf­t ist auch in Zukunft unser Rückgrat, das wir mit digitalen Technologi­en weiterentw­ickeln, das bezieht das gesamte Netz mit ein. Von den 27 Terawattst­unden, die laut Regierungs­programm in den nächsten Jahren an Erneuerbar­en errichtet werden sollen, könnten drei bis vier Terawatt aus Verbund-wasserkraf­t kommen. Bei Stromerzeu­gung aus Sonne und Wind haben wir uns sechs bis sieben Terawattst­unden vorgenomme­n. In zehn Jahren sollen sie 20 bis 30 Prozent unserer Erzeugung liefern.

Das klingt nach Investitio­nen in Milliarden­höhe. Was kostet denn allein die „Hotflex“-anlage?

ANZENGRUBE­R: Für Zahlen müssen Sie noch unsere Bilanzpres­sekonferen­z abwarten. Wir dürfen jetzt nichts sagen. Aber mal ehrlich. Wenn wir die Energiewen­de nicht machen, wer soll sie denn sonst machen.

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