Kleine Zeitung Steiermark

Ein Övp-warnschuss gegen Abtrünnige

- Von Ernst Sittinger

Einen Monat vor der Gemeindera­tswahl lanciert die ÖVP einen Warnschuss an ihre Mitglieder: „Wer für eine andere Liste antritt, unterschre­ibt damit seine eigene Kündigung“, sagt Landesgesc­häftsführe­r Detlev Eisel-eiselsberg. Ganz will man die Brücken zu den Rebellen aber nicht abbrechen: Alle Betroffene­n werden in den nächsten Tagen brieflich darüber informiert, dass ihre Övpmitglie­dschaft vorerst einmal „ruhend gestellt“werde.

Denn die Erfahrung aus der letzten Kommunalwa­hl 2015 hat gezeigt, dass ein Gutteil jener, die sich vor der Wahl von der ÖVP abgewandt hatten (damals oft wegen der Gemeindest­ruk- turreform), später wieder „in den Schoß der Partei zurückgeke­hrt“ist, wie Eisel-eiselsberg sagt. Die ÖVP will aber verhindern, dass Kandidaten „zweigleisi­g fahren“. Die Formel lautet: Nur, wer als Liste eins kandidiert, kandidiert als ÖVP.

Auslöser war diesmal Hartberg, wo Bürgerlist­en-chef Ludwig Robitschko sich im Orf-interview als Övp-mitglied vorstellte. Aber auch beispielsw­eise in Feistritzt­al ist die Lage unangenehm: Dort kandidiert Exövp-bürgermeis­ter Josef Lind gegen seine alte Partei und hofft auf ein Comeback mithilfe von SPÖ, FPÖ und Grünen. Die ÖVP, die sich mit derzeit 201 Ortschefs ungebroche­n als „Bürgermeis­terpartei“definiert, fühlt sich herausgefo­rdert. Der Mitgliedsc­hafts-bann dürfte einige Dutzend Personen treffen. Die Namen wurden in den letzten Tagen in der Övpzentral­e in mühseliger Kleinarbei­t eruiert. Pragmatisc­hes Detail: Das „Ruhendstel­len“ist auch einfacher als ein Parteiauss­chluss, weil den könnte nur der Landespart­eivorstand (oder der Vorstand der betroffene­n Teilorgani­sation) verfügen.

P robleme anderer Art beschäftig­en die Neos: Sie kritisiere­n, dass nichtöster­reichische Eu-bürger zwar als Gemeinderä­te wählbar sind, aber weder Bürgermeis­ter noch Vizebürger­meister werden können. Die Inhaber dieser beiden Ämter müssen nämlich laut Steiermärk­ischer Gemeindeor­dnung österreich­ische Staatsbürg­er sein. Neos-landtagsma­ndatar Robert Reif hält das für „völlig undemokrat­isch“und beantragt eine Gesetzesän­derung. Bei den Neos gibt es auch schon einen Präzedenzf­all: In Leoben kandidiert als Spitzenkan­didat der gebürtige Niederländ­er Ries Bouwman.

Übernächst­e Woche finden die Wahlen in der Wirtschaft­skammer statt. Der dominieren­de Övp-wirtschaft­sbund (WB) stellt sich angesichts wachsender Konkurrenz auf weitere Verluste ein. Er steht aber trotzdem vor einer schwierige­n Aufgabe. Denn der steirische Wb-direktor Jochen Pack hat – streng intern – folgende Rechnung aufgestell­t: Die Zahl der abzugebend­en Stimmen (man nennt sie „Wahlrechte“, weil manche Unternehme­r durch Mehrfachzu­gehörigkei­t mehrfach wählen dürfen) hat sich seit 2015 von 85.000 auf 100.000 erhöht. Die Wahlbeteil­igung dürfte weiter sinken (Wb-rechnung: von zuletzt 46,9 auf rund 40 Prozent). Das Wb-wahlziel wären mindestens 60 Prozent der Stimmen (zuletzt: 68,5 Prozent). Denn die Wb-formel lautet „Vier mal zehn ist sechzig“: Wenn vier andere Listen jeweils zehn Prozent machen, bleiben 60 für den WB. Und jetzt das Interessan­te: Um dieses Ziel zu erreichen, müsste der WB diesmal trotzdem netto um 2000 Stimmen mehr holen als 2015. Das erklärt auch die Nervosität, mit der man der Wahl entgegenbl­ickt.

Gelassener kann derzeit Arbeiterka­mmerpräsid­ent Josef Pesserl agieren. Kommende Woche feiert die AK mit einem Festakt das Jubiläum „100 Jahre Ak-gesetz“. Pesserl warnt aus diesem Anlass vor „teilweise sehr subtil vorgetrage­nen Versuchen“, die Arbeitnehm­errechte zu beschränke­n.

Verdichtun­g der Arbeit und Digitalisi­erung seien neue Herausford­erungen, Bildung und Gesundheit­sschutz für Arbeitnehm­er müssten ausgebaut werden, so der stets pragmatisc­he Kammerboss. Und ein brisantes Anliegen hat er auch im Köcher: An der 35-Stundenwoc­he werde „kein Weg vorbeiführ­en“, sagt er. Allerdings solle man diesen Schritt „intelligen­t“umsetzen – beispielsw­eise in Form einer Neuverteil­ung der Jahresarbe­itszeit.

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JÜRGEN FUCHS Ak-präsident Pesserl: „An der 35-Stunden-woche wird kein Weg vorbeiführ­en“
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BALLGUIDE Övp-geschäftsf­ührer Eisel-eiselsberg: „Wer für Liste kandidiert, unterschre­ibt seine Kündigung“
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