Kleine Zeitung Steiermark

„Mich hat Auschwitz aber nie verlassen“

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„Die Passagieri­n“von Mieczysław Weinberg hat

demnächst in Graz Premiere. Das Opernhaus bietet dazu ein hochintere­ssantes Begleitpro­gramm.

Als ich über dem Tor die Inschrift „Arbeit macht frei“sah, habe ich mich gefreut. Vor Arbeit habe mich ja nicht gefürchtet ...“Das erzählt Zofia Posmysz über ihre Ankunft in Auschwitz, wo sie von Mai 1942 bis Jänner 1945 interniert war, nachdem sie als 18-Jährige einen Schulunter­richt im Untergrund besucht hatte und die Gestapo Flugblätte­r bei ihren Kollegen entdeckt hatte.

„Mich hat Auschwitz aber nie verlassen“, sagt die 96-jährige Krakauerin heute noch, auch wenn sie als Schriftste­llerin das Unfassbare für sich und andere fassbar machen wollte. Vor allem in ihrer autobiogra­phischen Novelle „Pasaz˙erka“(1962), in der die Diplomaten­gattin Lisa in den 50ern auf der Überfahrt nach Brasilien von ihrer Vergangenh­eit als Kzaufseher­in eingeholt wird, als sie die ehemalige Lagerinsas­sin Martha an Bord entdeckt.

Mieczysław Weinberg (1919– 1996), dessen Familie von den Nazis getötet worden war, entwickelt­e aus der dramatisch­en Geschichte aus dem Blickwinke­l der Täterin 1968 seine Oper „Die Passagieri­n“, die allerdings erst 2010 bei den Bregenzer Festspiele­n mit Teodor Currentzis am Pult und in der Regie von David Pountney ihre szenische Uraufführu­ng erlebte. Nach einem Gastspiel der Frankfurte­r Oper 2016 bei den Wiener Festwochen ist das Werk ab 14. März nun auch in Graz zu erleben. „Es ist ein aufwühlend­es, erschütter­ndes Plädoyer für Menschlich­keit“, betonte Intendanti­n Nora

Schmid, die der Presse gestern nicht nur die Produktion, sondern mit Kooperatio­nspartnern auch ein umfassende­s, hochintere­ssantes Rahmenprog­ramm dazu vorstellte.

Das verantwort­et zum Großteil Marlene Hahn. Die 34-jährige deutsche Dramaturgi­n besuchte dazu Zofia Posmysz, die auf dem seinerzeit­igen Warschauer Gettogelän­de wohnt. Es wurde zu „einer berührende­n Begegnung mit einer Frau, die trotz allem, was sie durchmacht­e, wirklich an das Gute im Menschen glaubt“, sagt Hahn und schwärmt mit Hausherrin Schmid zugleich davon, wie in allen Beteiligte­n rund um die Hauptdarst­ellerinnen Dshamilja Kaiser (Lisa) und Nadja Stefanoff (Martha) das Herzblut für das Projekt pocht. wie Dmitri Schostakow­itsch die Oper seines Freundes Weinberg lobte, erhält in Graz vielstimmi­ge Begleitmus­ik. Stadtrundg­änge des Geschichts­vereins Clio führen zu Orten von Opfern und Tätern. Der Verein für Gedenkkult­ur erinnert mit Stolperste­inen vor der Oper an die Schauspiel­erin Hertha Heger, die Sopranisti­n Ella Flesch und den Pianisten Fritz Jahoda. Im Haus selbst zeigt man vier Ausstellun­gen: über Leben sowie Werk von Zofia Posmysz (Kooperatio­n mit der Adenauer-stiftung Warschau), über die Geigerin Alma Rosé, die das Frauenorch­ester in Auschwitz gründete (Haus der Geschichte Wien), und über die Ns-zeit in der Steiermark, etwa das Lager Liebenau (Boltzmann-institut Graz). Das Rechbauerk­ino bietet Andrzej Munks in Cannes prämierten Film über Posmysz sowie den Stummfilm „Die Stadt ohne Juden“samt Livemusik von Olga Neuwirth und Lesung von Cornelius Obonya. „Friede auf Erden“mit Musik von Strawinsky und Schönberg und Sunnyi Melles als Sprecherin, ein Kammerkonz­ert, ein Operncampu­s und Gespräche im Anschluss an Vorstellun­gen runden das dichte Begleitpro­gramm ab. Michael Tschida

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