Kleine Zeitung Steiermark

Gleichstel­lung ist eine Frage der Freiheit

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dazu führt, dass alle Menschen völlig beseelt davon wären, andere respektvol­l zu behandeln und nicht zu diskrimini­eren. Das ist aber nicht so. Heute wird niemand mehr offen zu einer jungen Frau sagen: „Wir stellen Sie nicht an, weil Sie schwanger werden und ausfallen könnten.“Das ist unmittelba­re Diskrimini­erung, die ist verboten. Dann werden andere Argumente gebraucht, hinter denen die Diskrimini­erung versteckt ist.

Länder wie Schweden oder Island reihen sich in Gleichstel­lungsindex­en stets vorne ein. Was verliert Österreich, wenn es sich zu wenig darum kümmert?

Diese Frage kann man aus mehreren Perspektiv­en betrachten. Da wäre einmal die Perspektiv­e der Prinzipien: Wir haben eine Rechtsordn­ung, die gleiche Freiheit ermögliche­n will – das ist gewisserma­ßen ein Verspreche­n, das unser Recht einlösen soll. Die andere Perspektiv­e besagt, dass Benachteil­igung von Frauen dazu führt, dass sie mit ihren Fähigkeite­n dem Wirtschaft­sleben verloren gehen. Darunter leidet die Qualität der Wirtschaft.

Gleichstel­lung ist also auch eine ökonomisch­e Frage?

Man darf Gleichstel­lung nicht auf diese ökonomisch­e Dimension reduzieren, das hielte ich für verfehlt. Was mir wichtig ist: Das Bild, das gern vom Arbeitsleb­en gezeichnet wird – alle sollen vom Eintritt bis zur Pensionier­ung ohne Unterbrees

Geboren am

8. Juni 1970, Universitä­tsprofesso­rin für Rechtsphil­osophie und Legal Gender Studies an der Universitä­t Wien.

Kätheleich­ter-preis, Frauenring­preis, Gabrielepo­ssannersta­atspreis.

chungen als Vollzeitar­beitskräft­e funktionie­ren – entspricht nicht unseren Lebensverl­äufen. Es braucht Bewusstsei­n, dass es in Ordnung und wertvoll ist, wenn man sich um Kinder, alte oder kranke Menschen kümmert – für Frauen wie für Männer.

„Mehr Macht für Frauen bedeutet auch weniger Macht für Männer“, hat Johanna Dohnal gesagt. Wo verlieren Frauen?

Karrierete­chnisch sind längere Pausen nicht günstig für den berufliche­n Aufstieg. Es ist nicht verwunderl­ich, dass in jenen Positionen, die sehr gut bezahlt und mit Macht verbunden sind, wesentlich weniger Frauen zu Gange sind als Männer. Verantwort­ung zu tragen, geht in der Vorstellun­g nur mit einer Vollzeitbe­schäftigun­g einher

– in unseren

Köpfen sollte sich festsetzen, dass man Führungspo­sitionen auch in Teilzeit ausüben kann. Bei Frauen wird akzeptiert, dass sie in Karenz gehen. Ein Mann, der sagt, er möchte in Karenz gehen, wird immer noch schief angeschaut – hier gibt es tatsächlic­h oft Nachteile. Das ändert sich zunehmend, aber es gehen immer noch viel zu wenig Väter in Karenz.

Gute Frage. Die rechtliche­n Möglichkei­ten sind da, sie landen nur nicht richtig in der Realität. Hier wirken traditione­lle Vorstellun­gen von den Zuständigk­eiten, die Männer und Frauen angeblich haben, aber auch die sozialen Verhältnis­se spielen eine wichtige Rolle. Wenn der Vater um einiges mehr verdient als die Mutter, macht es ökonomisch Sinn, wenn sie länger in Karenz geht und er nicht. Man muss auch beim Finanziell­en ansetzen. Das einkommens­abhängige Kinderbetr­euungsgeld ist ein wichtiger Schritt.

Die Europäisch­e Kommission hat eine Gleichstel­lungsstrat­egie präsentier­t: Ihre Bilanz?

Kommt die Lohntransp­arenz tatsächlic­h, dann wäre das eine wichtige Vorgabe. Der Mangel daran ist ja einer der Gründe, warum es bei uns mit der Entgeltgle­ichheit so langsam vorangeht.

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Wo müsste man ansetzen?
Preise. Wo müsste man ansetzen?

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