Geschichte der Menschheit als riesige Datenlücke
Caroline Criado-perez zeigt die Folgen der Gender-data-gap für das Leben der Frau.
Daten bestimmen die Gestaltung unserer Welt. Der Großteil davon ist allerdings männerbezogen, wie das im Februar in deutscher Übersetzung (Stephanie Singh) erschienene Buch der Britin Caroline Criado-perez anhand zahlreicher Studienergebnisse aufzeigt. Männer wurden über Jahrhunderte hinweg als „Normalfall“, Frauen als „Abweichung“davon betrachtet. Diese Herangehensweise rächt sich. „Für Frauen kann das Leben in einer Welt, die auf männerbezogenen Daten basiert, tödliche Folgen haben“, warnt die Autorin und veranschaulicht ihre Statements mit zahlreichen Beispielen. Etwa jenem einer britischen Polizistin, die im Dienst ihr Leben lassen musste, weil ihr die Sicherheitsausrüstung, die auf den männlichen Körper zugeschnitten war, ganz einfach nicht passte.
Geräte, Ausrüstungen, Fahrzeuge, Krankenhäuser, Arbeitsplätze, die Städteplanung samt öffentlichem Verkehr oder auch die Arbeitsvermittlung würden sich – nur um einige Bereiche zu nennen – an der Lebenswirklichkeit eines durchschnittlichen „Referenzmannes“orientieren. Eine besonders große Gefahr durch die datenbedingte Unsichtbarkeit der Frauen liege immer noch in der völlig unzureichenden Berücksichtigung des weiblichen Körpers in der Medizin. „Wir brauchen eine Revolution in der medizinischen Forschung und Praxis, und zwar bereits gestern“, fordert Criado-perez.
Erfrischend ist der Zugang der Autorin, die keine Anklage erheben will, sondern für den Mut zur Veränderung plädiert. „Eine Welt, die für alle funktionieren soll, sollte nicht ohne Frauen entworfen werden“, so die Britin. Wie das geht? Frauen fragen! Daten zu Frauen und ihren Lebenswirklichkeiten erheben, in Wissenschaft und Forschung einbinden und durch die Politik umsetzen. „Das Fehlen korrekter Daten macht die Frauen nämlich ärmer, kränker und im schlimmsten Fall bringt es sie um.“Ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg in Richtung Sichtbarkeit „wäre die Akzeptanz der Tatsache, dass geschlechterneutral nicht automatisch geschlechtergerecht bedeutet“. Barbara Jauk
Caroline Criado-perez: Unsichtbare Frauen – Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert. btb-verlag, 494 Seiten, 15,50 Euro