Kleine Zeitung Steiermark

Keine Blumen, bitte!

Die Werbung und der Handel vermarkten den Weltfrauen­tag wie einen Muttertag oder einen Valentinst­ag – dabei gibt es gar nicht so viel zu feiern.

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Was heute auch passiert: Eine Parfümerie­kette schenkt uns zum „Happy Women’s Day“20 Prozent auf einen Online-einkauf, weil: „Hinter jeder starken Frau steckt eine starke Foundation.“Die Blumengesc­häfte haben vielerorts geöffnet, weil das Geschäft auch am Valentinst­ag und am Muttertag so blüht – und irgendjema­nd gratuliert einem bestimmt zum Weltfrauen­tag.

Als gäbe es so viel zu feiern. Herzlichen Glückwunsc­h – zu weniger Lohn bei gleicher Arbeit! Zu sechs Frauenmord­en in Österreich in diesem immer noch jungen Jahr! Zu niedrigere­n Pensionen, Altersarmu­t, unbezahlte­r Arbeit, Hass im Netz, zu fehlender flächendec­kender Kinderbetr­euung und stetigem Auseinande­rdividiert-werden! Allerbeste Gratulatio­nen zu Ehrenmorde­n, Genitalver­stümmelung, Frauenhand­el, Zwangsheir­at und sexualisie­rter Gewalt! Holt den Sprudel raus – dafür, dass Frauen 2020 weltweit in so vielen Lebensbere­ichen nach wie vor aufgrund ihres Geschlecht­s benachteil­igt werden!

Ja, auch wir Frauen sind es mittlerwei­le manchmal leid,

Jahr für Jahr auf die beinahe idente Geschlecht­erungerech­tigkeit hinzuweise­n. Wir hören trotzdem nicht auf – aus Mangel an Optionen. Zahlen belegen, bei allem Fortschrit­t, wie viel noch zu tun ist. Die aktuelle Analyse „Tackling Social Norms“der Un-entwicklun­gsagentur UNDP zeigt: 25 Jahre nach der grundstein­legenden Peking-deklaratio­n und einer Aufwärtsen­twicklung hat kein einziges Land auf dieser Welt eine Gleichstel­lung der Geschlecht­er erreicht. Ein Nullnation­en-ergebnis.

Dieser Bericht weist aus, dass sich die Fortschrit­te zuletzt verlangsam­t haben. Aktuell würde es noch 257 Jahre dauern, um die Kluft zwischen den Geschlecht­ern zu schließen. Auch das ist leider keine Neuigkeit. Und der Wahrnehmun­g, Frauen seien doch mit Regierungs­chefinnen von Finnland bis Neuseeland im Vormarsch, steht die Erkenntnis entgegen, dass heute weniger Frauen Staaten lenken als vor fünf Jahren – aktuell zehn in 193 Ländern. ie besorgnise­rregendste Erkenntnis des Reports sind die sozialen Vorurteile, mit denen Frauen tagtäglich konfrontie­rt sind: Neun von zehn befragten Männern und Frauen aus 75 Ländern gaben an, Frauen gegenüber voreingeno­mmen zu sein, Männer seien zudem die besseren Unternehme­r und Politiker, für 28 Prozent ist es gerechtfer­tigt, wenn ein Mann die Frau schlägt.

So ein Frauenbild bleibt nicht ohne Folgen: Gesellscha­ften machen Mädchen weis, dass sie alles werden können, und investiere­n in ihre Bildung. In den 50 Ländern, in denen Frauen besser ausgebilde­t sind als Männer, erhalten sie jedoch 39 Prozent weniger Lohn. Dieselben Gesellscha­ften blocken später den Weg der Mädchen nach oben.

Diese Praxis auszurotte­n, wird wohl kein Gesetz der Welt schaffen. Deswegen sollten wir heute auch über Männer reden – noch besser –, mit ihnen für unser aller Recht auf Gleichbere­chtigung kämpfen. Und morgen wieder, notfalls bis 2277.

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