„Wir vertreiben unsere Pflegekräfte“
Was wirklich hinter der Gesundheitsund Krankenpflege steckt, und was man auch alles tun könnte, da gibt es ganz wenig Fantasie. Es bräuchte echte Aufklärung.
Warum ist das Image der Berufsgruppe nicht so gut?
Jeder Sozialberuf hat grundsätzlich die Problematik, dass er nur oberflächlich angesehen ist. Doch sieht man sich die Bezahlung oder das Image genauer an, sieht es anders aus. Landläufig wird oft gesagt, dazu brauchst du ein gutes Herz, aber keinen Verstand. Das ist oft der Fall bei Berufen, die traditionell eher von Frauen ausgeübt werden. Das Image hat etwas damit zu tun, dass Genese in der Mitte des 19. Jahrhunderts als Frauenberuf konzipiert wurde. Die Trennung von Medizin und Pflege ist ja nicht naturgegeben, die hat stattgefunden. Es gab den mütterlichen, pflegenden Teil und den männlichen, wissenschaftlichen, medizinischen Teil. Das ist immer noch in den Köpfen.
Hat das auch mit der gesellschaftlichen Wertigkeit zu tun?
Es wäre ein wunderbarer Beruf, aber es hat auch zu tun mit Wertigkeit. Wir müssen uns schon fragen, ist Engagement für andere etwas, das in unserer Gesellschaft hoch zählt? Und je nachdem wird ein Beruf dadurch auch attraktiv oder eben nicht.
Wie könnte man den Beruf gesellschaftlich aufwerten?
Es hat etwas mit Bezahlung zu tun. Es hat aber auch etwas mit Wertigkeit zu tun. Man könnte hier schon in der Schule oder an Unis ansetzen. Für soziales Engagement in den USA an Unis bekommt man etwa Punkte. Da ist das auch Pflicht.
Verstehen Sie die Debatte um die 35-Stunden-woche?
Ich verstehe, dass es unter momentan herrschenden Umständen sicher sehr belastend ist, 40 Stunden und mehr zu arbeiten. Sind allerdings Rahmenbedingungen mit genügend Personal vorhanden, in denen man ausreichend Zeit für Pflege hat, dann sind 40 Stunden sicher weniger belastend als mit Rahmenbedingungen, die an die Grenzen führen. Nur die Einführung einer 35-Stunden-woche wird die Probleme nicht lösen. Es muss genug Zeit für die eigentliche Aufgabe – die Pflege – vorhanden sein.
Wie könnte man mehr Menschen in die Pflege bekommen?
Natürlich durch Ausbildung. Aber das, was mir in der Debatte total abgeht, sind Personen, die sich später – etwa nach Kindern – für diesen Beruf entscheiden. Das sind nicht wenige. Und die ordentlich in guten Ausbildungen aufzufangen, da hätten wir großes Potenzial.
wären
Es ist mindestens fünf vor 12. Wir sollten dennoch nicht mit Schnellschüssen reagieren. Das Gesundheitssystem muss flexibler werden. Das ist immer noch sehr berufsständisch und konservativ in Österreich. Man müsste die Pflege stärken, ihr erweiterte Aufgaben geben und dadurch eine niederschwellige Grundversorgung ermöglichen. Es muss rasch daran gearbeitet werden, Übergänge zu bekommen, zwischen dem Akutsystem und der Pflege zu Hause.