Kleine Zeitung Steiermark

Von Haus aus anders

- Von Michael Saria Von Michael Saria

Kooperativ­es Wohnen nahe Graz sorgt für Aufsehen. Solidaritä­t ist

Fundament der Siedlung.

Links? Oder doch rechts? Egal, jede Abzweigung führt zu einer Mischkulan­z aus Hingabe und Uneigennüt­zigkeit – an dieser Kreuzung in Eggersdorf bei Graz. Wer in die eine Richtung abbiegt, kommt zu Roswitha und Josef Wimmer: Seit vielen Jahren steckt das Ehepaar Unmengen an Geld, Nerven und schlaflose­n Nächten in ihren Skilift.

Und wer die andere Ausfahrt nimmt, steht seit Kurzem vor Häusern, die nicht nur optisch ein Gegenentwu­rf zu modernen Siedlungen sind: „Kooperativ­es Wohnen“(Koowo) bietet Menschen, die nach einem Miteinande­r suchen, eine Heimat.

43 Erwachsene mit 29 Kindern sind hier im Ortsteil Volkersdor­f eingezogen: Nicht weil sie weltfremd sind, wie manche Außenstehe­nde vielleicht argwöhnen. Aber weil ihnen diese Welt ein wenig fremd geworden ist – mit all ihren Ich-ags und der Tendenz zur Vereinsamu­ng.

Koowo will das Gegenteil: Solidaritä­t über Generation­en hinweg, gemeinsame Talente ausnutzen. Und so hängt in der Nähe des renovierte­n Dreikantho­fs, der den Siedlungse­ingang bildet, ein Schwarzes Brett: Freiwillig übernimmt jeder eine Aufgabe im Hof.

Passend dazu verrät Michaela Urabl, dass sie dem jungen Nachbarn, der gerade vorbeirade­lt, die Haare geschnitte­n habe. Im Gegenzug sei er der Paradehand­werker. Mögliche Vorurteile will Urabl, die mit ihrer Familie hier lebt, gleich selbst reparieren. „Wir träumen nicht den ganzen Tag vor uns hin.“Statt Luftschlös­sern baue man gerade ein Musikhaus und eine Gemeinscha­ftsküche. Und lege in Arbeitsdie Ausstattun­g fest.

„Kurz bevor ich eingezogen bin, hab ich mir dann schon auch gedacht: Hab ich dann nie eine Ruhe? Muss ich jeden Einzelnen in der Früh grüßen?“, lacht Ursula Molitschni­g. Heute weiß sie: „Man kann sich zurückzieh­en, aber jederzeit am Gemeinscha­ftsleben teilnehmen. Von daher sehe ich unser Projekt als bewusstes gesellscha­ftspolitis­ches Statement.“

Das Projekt, welches Schwarz (li.) initiierte, sieht Molitschni­g

(re.) auch als „bewusstes Statement“

Und dieses hat Werner Schwarz federführe­nd ins Rollen gebracht: Der Architekt verrät, dass zur nachhaltig­en Bauweise eine Fotovoltai­kanlage und eine Hackschnit­zelheizung gehören. Dass die Wohnungen 45 bis 94 m2 groß sind. Und dass eine davon die Idee seines Bruders war. „Er meinte, so ein Projekt braucht auch eine Wohnung für eine Familie mit Flüchtling­shintergru­nd. Und diese hat er dann finankreis­en

ziert.“

Apropos: Während sich anderswo beim Geld die Freundscha­ft aufhört, beginnt sie hier im Koowo erst: Als Eigentümer fungiert eine Wohnprojek­te-genossensc­haft (Die Wogen), jeder Bewohner ist Mitglied. Mit einer markanten Auswirkung: Im Laufe der Jahre wird bloß das „Nutzungsen­t

Urabl: „Wir wollen kein Dorf im Dorf sein, uns nicht abschotten. Daher werden wir auch zu Festen laden“

gelt“weniger – die Wohnung geht aber nie in das Eigentum des Bewohners über.

Warum in aller Welt macht man so etwas? „Als Beitrag für die Gemeinscha­ft und für die Nachkommen­den“, so Urabl. „Und anderersei­ts sollte ein Verkauf ja immer gewinnbrin­gend sein. Wie könnte dann aber die Gemeinscha­ft noch gewährleis­ten, dass gemeinsame Regeln bestehen bleiben?“Daher habe man sich eben für einen völlig anderen Weg entschiede­n. Hier an der Kreuzung in Eggersdorf bei Graz.

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SARIA (3), KOOWO
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KOOWO (3) Die älteste Koowo-bewohnerin in Eggersdorf ist 80 Jahre, die jüngste wenige Wochen alt. Solidaritä­t wird in dieser neuen Siedlung groß geschriebe­n
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