Von Haus aus anders
Kooperatives Wohnen nahe Graz sorgt für Aufsehen. Solidarität ist
Fundament der Siedlung.
Links? Oder doch rechts? Egal, jede Abzweigung führt zu einer Mischkulanz aus Hingabe und Uneigennützigkeit – an dieser Kreuzung in Eggersdorf bei Graz. Wer in die eine Richtung abbiegt, kommt zu Roswitha und Josef Wimmer: Seit vielen Jahren steckt das Ehepaar Unmengen an Geld, Nerven und schlaflosen Nächten in ihren Skilift.
Und wer die andere Ausfahrt nimmt, steht seit Kurzem vor Häusern, die nicht nur optisch ein Gegenentwurf zu modernen Siedlungen sind: „Kooperatives Wohnen“(Koowo) bietet Menschen, die nach einem Miteinander suchen, eine Heimat.
43 Erwachsene mit 29 Kindern sind hier im Ortsteil Volkersdorf eingezogen: Nicht weil sie weltfremd sind, wie manche Außenstehende vielleicht argwöhnen. Aber weil ihnen diese Welt ein wenig fremd geworden ist – mit all ihren Ich-ags und der Tendenz zur Vereinsamung.
Koowo will das Gegenteil: Solidarität über Generationen hinweg, gemeinsame Talente ausnutzen. Und so hängt in der Nähe des renovierten Dreikanthofs, der den Siedlungseingang bildet, ein Schwarzes Brett: Freiwillig übernimmt jeder eine Aufgabe im Hof.
Passend dazu verrät Michaela Urabl, dass sie dem jungen Nachbarn, der gerade vorbeiradelt, die Haare geschnitten habe. Im Gegenzug sei er der Paradehandwerker. Mögliche Vorurteile will Urabl, die mit ihrer Familie hier lebt, gleich selbst reparieren. „Wir träumen nicht den ganzen Tag vor uns hin.“Statt Luftschlössern baue man gerade ein Musikhaus und eine Gemeinschaftsküche. Und lege in Arbeitsdie Ausstattung fest.
„Kurz bevor ich eingezogen bin, hab ich mir dann schon auch gedacht: Hab ich dann nie eine Ruhe? Muss ich jeden Einzelnen in der Früh grüßen?“, lacht Ursula Molitschnig. Heute weiß sie: „Man kann sich zurückziehen, aber jederzeit am Gemeinschaftsleben teilnehmen. Von daher sehe ich unser Projekt als bewusstes gesellschaftspolitisches Statement.“
Das Projekt, welches Schwarz (li.) initiierte, sieht Molitschnig
(re.) auch als „bewusstes Statement“
Und dieses hat Werner Schwarz federführend ins Rollen gebracht: Der Architekt verrät, dass zur nachhaltigen Bauweise eine Fotovoltaikanlage und eine Hackschnitzelheizung gehören. Dass die Wohnungen 45 bis 94 m2 groß sind. Und dass eine davon die Idee seines Bruders war. „Er meinte, so ein Projekt braucht auch eine Wohnung für eine Familie mit Flüchtlingshintergrund. Und diese hat er dann finankreisen
ziert.“
Apropos: Während sich anderswo beim Geld die Freundschaft aufhört, beginnt sie hier im Koowo erst: Als Eigentümer fungiert eine Wohnprojekte-genossenschaft (Die Wogen), jeder Bewohner ist Mitglied. Mit einer markanten Auswirkung: Im Laufe der Jahre wird bloß das „Nutzungsent
Urabl: „Wir wollen kein Dorf im Dorf sein, uns nicht abschotten. Daher werden wir auch zu Festen laden“
gelt“weniger – die Wohnung geht aber nie in das Eigentum des Bewohners über.
Warum in aller Welt macht man so etwas? „Als Beitrag für die Gemeinschaft und für die Nachkommenden“, so Urabl. „Und andererseits sollte ein Verkauf ja immer gewinnbringend sein. Wie könnte dann aber die Gemeinschaft noch gewährleisten, dass gemeinsame Regeln bestehen bleiben?“Daher habe man sich eben für einen völlig anderen Weg entschieden. Hier an der Kreuzung in Eggersdorf bei Graz.