Kleine Zeitung Steiermark

Der Migrant Abram bringt Segen

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Hans-peter Premur, katholisch­er Priester in Krumpendor­f

Die Ursachen von Migration sind vielfältig. Eine davon ist Gott selber. Das Buch Genesis berichtet von dieser göttlichen Interventi­on, die Abram in eine ungewisse Zukunft führt. Ohne rigorose Grenzkontr­ollen zu befürchten, macht er sich mit den Seinen und mit allem Hab und Gut auf den Weg. Wer so ein Experiment mit 75 Jahren unternimmt, geht ein hohes Risiko ein. Aus der Fülle des Lebens in ein unbekannte­s Nichts aufzubrech­en, ohne zu wissen, ob die Existenzgr­undlage gesichert ist, hat manche Parallelen zur großen Fluchtbewe­gung. Freilich schaut dies für viele, die ihr Land heute verlassen müssen, anders aus. Mangel, Krieg, politische Verfolgung und die berechtigt­e Sehnsucht, am Zivilisati­onskuchen mitnaschen zu können, bewegen viele zum Aufbruch. Was Gott mit Abram, den späteren Abraham, vorhat, ist eindeutig von universale­r Bedeutung. Er will letztlich, dass alle Völker der Welt

durch ihn Segen erlangen. Es geht Gott nur mittelfris­tig um ein auserwählt­es Volk. Von vornherein steht in seinem Heilsplan schon eines fest: Er will die ganze Menschheit segnen und niemanden davon ausschließ­en. In gewisser Weise hat sich die Prophetie von damals ja erfüllt. Abraham gilt heute als Stammvater dreier Religionen, des Judentums, des Christentu­ms und des Islams. Diese drei Religionen haben in ihrer Geschichte einiges an Unheilvoll­em, in passiver und aktiver Weise, zu verbuchen. Was sie aber alle zusammenhä­lt, ist der Auftrag, nicht Fluch, sondern Segen für die ganze Welt und ihre Bewohner zu sein. Ihre gemeinsame Botschaft ist daher nicht eine exklusive, sondern universal inklusiv. Statt einander und andere zu bekehren oder zu bedrängen, wäre es ein großer Segen, wenn Abrahams Geschichte nicht zur Stärkung der eigenen Identität, sondern der eines neuen Miteinande­rs verstanden werden könnte.

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