Einstürzende Song-bauten
Gudrun Gut und Michael Rother im großen Festival-finale.
Im Dom im Berg hätte die Performance sicher noch eindrucksvoller werden können. Das Orpheum Extra war für die Grande Dame des Berliner Underground ein Vorgarten, kein Feld zum Bebauen. Die Rede ist von Gudrun Gut, der Frau mit der herb-heiseren Stimme. Sonntagabend zum Ausklang des Elevate-festivals sorgte sie für einen würdigen Abschlussreigen. Die 62-Jährige, Gründungsmitglied der Einstürzenden Neubauten, hat sich mit ihrem Soloprojekt eine Sound-werkstatt gezimmert, die sperriges Altmaterial mit zeitgenössischen Techno-elementen vermengt. Schwere, lethargische Rhythmen durchziehen wie Eisenstreben die Kompositionen zwischen Ambient und Industrial, aus denen allmählich Lieder herangezüchtet werden. Dazu krächzt Gut Spoken-word-fetzen. Irgendwann stehen die Song-bauten. Aber nur, um im nächsten Moment wieder einzustürzen.
Mit Michael Rother hämmerte sich im Anschluss eine weitere Schlüsselfigur der deutschen Industrial-schmiede durch den Saal. Der Hamburger spielte schon mit Legenden wie Kraftwerk und wurde von David Bowie verehrt, auf dessen Album „Heroes“er ursprünglich hätte mitwirken sollen. Der 69-Jährige trägt seine Songs mit E-gitarre, Keyboard und Live-schlagzeuger vor. Meist genügt ihm ein Motiv, ein schlichter Beat. Minutenlang lässt er seine fast lieblichen Melodien köcheln. Hie und da erinnert das Trio an kraftwerksche Dire Straits. Gleichermaßen kitschig und erhaben. Es war aber vor allem eines: jenseits jeglicher Konventionen, die durch Blues & Rock im Laufe der Musikgeschichte einzementiert wurden. Julian Melichar