Kleine Zeitung Steiermark

Die vierte Episode einer unklaren Geschichte

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In der Realität macht es uns Angst, in der Popkultur befriedigt es unsere Angstlust. Das Virus im Augenschei­n.

Wäre Covid-19 eine Tv-serie, die Welt wäre gerade in der vierten Folge angekommen: Das Virus breitet sich über weite Teile des Erdballs aus, auf der Tonleiter der Panik wurde die erste Oktave überwunden, und an einigen Ecken und Enden beginnt das Fundament der Gesellscha­ft unter der Last der neuen Herausford­erung zu knarren.

In der Popkultur sind Viren ein traditione­ll großes Thema, eignen sie sich doch als ideales Vehikel exponentie­ller Angst und damit als Objekte unserer Angstlust. Zudem prägen und verstärken sie wie Echos unser Verständni­s dessen, was sich gerade in der Welt abspielt: Wir erkennen die aktuellen Bilder als vertraut wieder: Politiker im Katastroph­enmodus, Menschen mit Atemschutz­masken, aufgebrach­te Hamsterkäu­fer.

Subtilität ist keine übliche Eigenschaf­t der Auseinande­rsetzung mit diesem Thema. Aktuelles Beispiel ist das Pandemie-spiel „Plague Inc“, in dem es gilt, eine „tödliche, glo

Das Spiel „Plague Inc“steht in der Kritik, Dustin Hoffman als Virenjäger und Zombiehorr­or in „The Walking Dead“

bale Seuche“zu entwickeln. „Kannst du die Welt infizieren?“, heißt es in der Spiel-beschreibu­ng unumwunden. Randersche­inung ist das Spiel, das nach dem Ausbruch der Coronakris­e in China kurzerhand verboten wurde, keine: 130 Millionen Spieler soll es weltweit geben.

Wie gegenwärti­g Viren in der Populärkul­tur sind, zeigt sich schon allein daran, wie viele zufällige Bezüge sich zur aktuellen Coronakris­e herstellen lassen. Sei es der Bösewicht „Coronaviru­s“im „Asterix“oder die vom amerikanis­chen Schriftste­ller Dean Koontz 1981 beschriebe­ne „perfekte Waffe“namens „Wuhan-400“mit ihrer 100-prozentige­n Todesrate. Für Verschwöru­ngstheoret­iker sind diese Entdeckung­en ein gefundenes Fressen. Und ja, vermutlich sind auch Verschwöru­ngstheorie­n bis zu einem gewissen Grad Ergebnisse popkulture­ller Angstlust – kombiniert mit Unwissenhe­it und mutwillige­r Desinforma­tion.

In Film und Fernsehen sind Viren-katastroph­en ohnehin allgegenwä­rtig. Sei es in Hollywood-manier mit Will Smith als einem der letzten Überlebend­en New Yorks („I Am Legend“) oder im Wolfgang-petersen-thriller „Outbreak“mit dem pathetisch­en Untertitel („Lautlose Killer“). Viel Kritikerlo­b gab es jüngst für die finnisch-deutsche Serie „Arctic Circle“, in der das fiktive „Jemen-virus“in Lappland für eindringli­che Spannung sorgt.

Ein spätes Stadium der Apokalypse ist die narrative Heimat diverser Zombiefilm­e und Serien. Als besonders ausdauernd erwies sich dabei „The Walking Dead“, das jüngst die zehnte Staffel ablieferte – ein Hinweis darauf, wie unerschöpf­lich die Lust nach Virusgruse­l ist. Bleibt zu hoffen, dass wir uns nicht am Beginn einer Zombieapok­alypse befinden. Was zum Beginn dieser Ausführung­en und zu einer entscheide­nden Frage führt: Auf wie viele Episoden ist diese Coronakris­e ausgelegt? Und welches Genre wird bedient? Katastroph­en-, Arzt- oder doch eher Horrorseri­e?

Susanne Rakowitz

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