Angst vor der tragischen Kettenreaktion
Diagonale abgesagt, Museum und Literaturhaus geschlossen. Was für Besucher traurig ist, wird für Kulturschaffende existenzbedrohend, warnen Verbände.
Der Absagereigen im steirischen Kulturbetrieb geht munter weiter: Das Filmfestival Diagonale in Graz fällt zur Gänze aus. Literaturhaus und Landesbibliothek haben den Publikumsbetrieb eingestellt, die Camera Austria sagte ihre nächste Schau ab. Und nach den Bundesmuseen schloss gestern auch das Universalmuseum Joanneum bis auf Weiteres seine Pforten.
Nur vom Grazer Schloßberg und vom Kunsthausdach tönt Bill Fontanas Klanginstallation „Sonic Projections“. Kunsthauschefin Barbara Steiner kann heute Abend nicht einmal die dazugehörige Schau eröffnen: „Das ist natürlich sehr traurig, weil sehr viel Arbeit und Mühe investiert wurden.“Gibt es einen Plan B? „Sofern sich die allgemeine Lage in den nächsten Wochen nicht noch verschlimmert, machen wir zum Ausstellungsende am 7. Juni das, was wir am Eröffnungswochenende geplant hatten.“
Auch anderswo geht die Arbeit weiter: „Man rechnet in unserer Branche ja immer mit Absagen, aber gleich in so geballter Form“, seufzt Michael Nemeth. Der Musikverein-chef atmet aber zugleich auf, denn er konnte für die fünf ausfallenden Projekte sofort Ersatztermine im Herbst finden, „da sind wir unseren Mitgliedern verpflichtet“.
Was der Einschnitt ins laufende Programm finanziell bedeutet, kann Nemeth ebenso wenig sagen wie Mathis Huber, der für zwei von drei März-projekten des recreation-orchesters noch Ausweichtermine finden muss. „Die wirtschaftlichen Konsequenzen sind noch nicht absehbar, aber wenn der Veranstaltungsstopp auch weit in den April hinein verlängert werden sollte, wird es extrem“, befürchtet der Intendant. Dem Osterfestival Psalm sehe er allerdings „voller Optimismus entgegen“, obwohl es schon zwei Tage nach dem bisherigen Stichtag 3. April beginnen soll.
wird trotz der Absagen weiterhin geprobt: „Wir legen ja nicht die Arbeit nieder, nur weil wir nicht spielen“, stellt Theaterholdingchef Bernhard Rinner fest. Den Bühnen entgehen „ähnliche Beträge“wie den Bundestheatern – pro Schließtag um die 190.000 Euro. Der größtenteils über öffentliche Förderungen finanzierte Betrieb kann das vorerst abfedern, zumal Kulturlandesrat Christopher Drexler angekündigt hat, man werde auch bei Programmausfall keine Förderungen zurücknehmen. Bund und Länder verhandeln laut Drexler derzeit über Entschädigungsund Hilfsmaßnahmen, er will sich bemühen, „dass Künstler und Veranstalter möglichst unbeschadet aus der Sache herauskommen. Mir ist klar: Es muss schnell gehen.“Allerdings: „Es gibt jenseits des Katastrophenschutzes keine Extrasparbücher für so einen Fall.“
Bei Ausfällen gibt es also eher kein Geld. Am ärgsten bedroht das freie Künstler: In den meisten Gastverträgen ist festgelegt, dass nur dann Geld fließt, wenn die Veranstaltung auch stattfindet. An der Grazer Oper sind
das schlechte Nachrichten etwa für Gäste im laufenden Musical „Guys and Dolls“– oder für Dshamilja Kaiser, engagiert für die Hauptrolle in der Oper „Die Passagierin“, die am Samstag Premiere hätte haben sollen.
herrscht Besorgnis: Die März-termine von Kabarettistin Elli Bauers Tournee sind alle gestrichen. Finden sich Ersatztermine, „stellt das kein Problem dar“, hofft Bauer. „Ich rechne mein Einkommen aufs gesamte Jahr. Problematisch wird es, wenn alle Termine ausfallen würden.“
Interessenvertreter wie die IG Kultur und die IG Autorinnen sprechen bereits von „Schockwelle“und „Einkommenskatastrophe“für die freie Künstlerschaft und appellieren an die Bundesregierung für rasche Unterstützung. Auch die Verbände der Film-, Musik- und Buchwirtschaft warnen vor einer „tragischen Kettenreaktion“durch die Corona-maßnahmen, die für viele Kulturinitiativen und Kunstschaffende bereits „ein existenzgefährdendes Ausmaß“annehmen. Es brauche „dringend einen Katastrophenfonds und Rettungsschirm“. Das könnte teuer werden. Auch Großveranstalter fürchten enorme Erlösverluste: „Wir fallen um Eintritte, Vermietungen, Shopeinkünfte und Führungsentgelte um. Es ist sehr dramatisch“, warnt Sabine Haag, Direktorin des Kunsthistorischen Museums in Wien. Und ein großer Konzertveranstalter wie Walter Egle von der Showfactory sieht für seine Branche Schäden dräuen, die „in die Millionen gehen“. kleinezeitung.at/
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