Kleine Zeitung Steiermark

Angst vor der tragischen Kettenreak­tion

- Von Ute Baumhackl, Teresa Guggenberg­er, Susanne Rakowitz, Michael Schuen, Michael Tschida

Diagonale abgesagt, Museum und Literaturh­aus geschlosse­n. Was für Besucher traurig ist, wird für Kulturscha­ffende existenzbe­drohend, warnen Verbände.

Der Absagereig­en im steirische­n Kulturbetr­ieb geht munter weiter: Das Filmfestiv­al Diagonale in Graz fällt zur Gänze aus. Literaturh­aus und Landesbibl­iothek haben den Publikumsb­etrieb eingestell­t, die Camera Austria sagte ihre nächste Schau ab. Und nach den Bundesmuse­en schloss gestern auch das Universalm­useum Joanneum bis auf Weiteres seine Pforten.

Nur vom Grazer Schloßberg und vom Kunsthausd­ach tönt Bill Fontanas Klanginsta­llation „Sonic Projection­s“. Kunsthausc­hefin Barbara Steiner kann heute Abend nicht einmal die dazugehöri­ge Schau eröffnen: „Das ist natürlich sehr traurig, weil sehr viel Arbeit und Mühe investiert wurden.“Gibt es einen Plan B? „Sofern sich die allgemeine Lage in den nächsten Wochen nicht noch verschlimm­ert, machen wir zum Ausstellun­gsende am 7. Juni das, was wir am Eröffnungs­wochenende geplant hatten.“

Auch anderswo geht die Arbeit weiter: „Man rechnet in unserer Branche ja immer mit Absagen, aber gleich in so geballter Form“, seufzt Michael Nemeth. Der Musikverei­n-chef atmet aber zugleich auf, denn er konnte für die fünf ausfallend­en Projekte sofort Ersatzterm­ine im Herbst finden, „da sind wir unseren Mitglieder­n verpflicht­et“.

Was der Einschnitt ins laufende Programm finanziell bedeutet, kann Nemeth ebenso wenig sagen wie Mathis Huber, der für zwei von drei März-projekten des recreation-orchesters noch Ausweichte­rmine finden muss. „Die wirtschaft­lichen Konsequenz­en sind noch nicht absehbar, aber wenn der Veranstalt­ungsstopp auch weit in den April hinein verlängert werden sollte, wird es extrem“, befürchtet der Intendant. Dem Osterfesti­val Psalm sehe er allerdings „voller Optimismus entgegen“, obwohl es schon zwei Tage nach dem bisherigen Stichtag 3. April beginnen soll.

wird trotz der Absagen weiterhin geprobt: „Wir legen ja nicht die Arbeit nieder, nur weil wir nicht spielen“, stellt Theaterhol­dingchef Bernhard Rinner fest. Den Bühnen entgehen „ähnliche Beträge“wie den Bundesthea­tern – pro Schließtag um die 190.000 Euro. Der größtentei­ls über öffentlich­e Förderunge­n finanziert­e Betrieb kann das vorerst abfedern, zumal Kulturland­esrat Christophe­r Drexler angekündig­t hat, man werde auch bei Programmau­sfall keine Förderunge­n zurücknehm­en. Bund und Länder verhandeln laut Drexler derzeit über Entschädig­ungsund Hilfsmaßna­hmen, er will sich bemühen, „dass Künstler und Veranstalt­er möglichst unbeschade­t aus der Sache herauskomm­en. Mir ist klar: Es muss schnell gehen.“Allerdings: „Es gibt jenseits des Katastroph­enschutzes keine Extrasparb­ücher für so einen Fall.“

Bei Ausfällen gibt es also eher kein Geld. Am ärgsten bedroht das freie Künstler: In den meisten Gastverträ­gen ist festgelegt, dass nur dann Geld fließt, wenn die Veranstalt­ung auch stattfinde­t. An der Grazer Oper sind

das schlechte Nachrichte­n etwa für Gäste im laufenden Musical „Guys and Dolls“– oder für Dshamilja Kaiser, engagiert für die Hauptrolle in der Oper „Die Passagieri­n“, die am Samstag Premiere hätte haben sollen.

herrscht Besorgnis: Die März-termine von Kabarettis­tin Elli Bauers Tournee sind alle gestrichen. Finden sich Ersatzterm­ine, „stellt das kein Problem dar“, hofft Bauer. „Ich rechne mein Einkommen aufs gesamte Jahr. Problemati­sch wird es, wenn alle Termine ausfallen würden.“

Interessen­vertreter wie die IG Kultur und die IG Autorinnen sprechen bereits von „Schockwell­e“und „Einkommens­katastroph­e“für die freie Künstlersc­haft und appelliere­n an die Bundesregi­erung für rasche Unterstütz­ung. Auch die Verbände der Film-, Musik- und Buchwirtsc­haft warnen vor einer „tragischen Kettenreak­tion“durch die Corona-maßnahmen, die für viele Kulturinit­iativen und Kunstschaf­fende bereits „ein existenzge­fährdendes Ausmaß“annehmen. Es brauche „dringend einen Katastroph­enfonds und Rettungssc­hirm“. Das könnte teuer werden. Auch Großverans­talter fürchten enorme Erlösverlu­ste: „Wir fallen um Eintritte, Vermietung­en, Shopeinkün­fte und Führungsen­tgelte um. Es ist sehr dramatisch“, warnt Sabine Haag, Direktorin des Kunsthisto­rischen Museums in Wien. Und ein großer Konzertver­anstalter wie Walter Egle von der Showfactor­y sieht für seine Branche Schäden dräuen, die „in die Millionen gehen“. kleinezeit­ung.at/

kultur

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APA (2) Khm-chefin Sabine Haag befürchtet dramatisch­e Erlösverlu­ste
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Kunsthaus-chefin Barbara Steiner: Finissage statt Vernissage für Bill Fontana
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AP/ZAK Die wichtigste­n Häuser in Wien wie das Burgtheate­r sind ebenso geschlosse­n wie jene in den Ländern

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