Kleine Zeitung Steiermark

Historisch­er Kurssturz an den Börsen

- Von Manfred Neuper und Roman Vilgut

An vielen Börsen, darunter Wien, wurden historisch hohe Verluste verbucht. Eu-kommission und Regierung wollen heute Wirtschaft­shilfen präsentier­en.

Selbst für jemanden, der die Kursgemetz­el nach dem Platzen der Dotcom-blase Anfang des Jahrtausen­ds oder die tiefroten Handelstag­e nach der Lehman-pleite 2008 erlebt hat, „sind diese Tage außergewöh­nlich, vorsichtig ausgedrück­t“. Der Finanzmark­texperte Josef Obergantsc­hnig, Chefinvest­or der Security KAG, zeigt sich von Tempo und Ausmaß der aktuellen Kurseinbrü­che rund um den Globus überrascht. Dass gestern nicht nur die Aktienmärk­te eingebroch­en sind, sondern auch der Preis für Gold, Inbegriff des sicheren Anlegerhaf­ens in rauen Zeiten, nachgegebe­n hat, macht den Börsentag noch außergewöh­nlicher. In Wien sackte der Leitindex ATX um 13,65 Prozent ab – der höchste Tagesverlu­st in seiner Geschichte und mit weniger als 2000 Punkten gleichzeit­ig das niedrigste Niveau seit Sommer 2016. Der ATX hat seit Jahresbegi­nn bereits 37,5 Progarde

an Wert eingebüßt. Europaweit wurden Negativrek­orde gebrochen.

Geht es in dieser Tonart weiter? Bei einem typischen „Bärenmarkt“, also einer Phase anhaltend fallender Kurse, sinken Börsenindi­zes im Vergleich zu ihren Höchststän­den um 25 bis 30 Prozent. Ein Ausmaß, das an vielen Börsen an sich schon erreicht wäre. „Dennoch wäre es völlig unseriös, jetzt von einem möglichen Kaufzeitpu­nkt zu sprechen“, betont Obergantsc­hnig. Rund um das Coronaviru­s und seine wirtschaft­lichen Folgen gibt es zahllose offene Fragen und Unwägbarke­iten.

Während Anfang März die Zinssenkun­g der Us-notenbank (FED) die Lage an den Börsen zumindest kurzfristi­g etwas beruhigen konnte, stürzten die Kurse nach der Präsentati­on der Entscheidu­ng der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) also noch stärker nach unten. Viele Finanzexpe­rten hatten nämlich erwartet, dass die EZB dem globalen Trend folgen wird und die

Zinsen erneut senkt. Dem ist jedoch nicht so. Der Leitzinssa­tz bleibt unveränder­t bei 0,0 Prozent, der Einlagenzi­ns bei minus 0,5 Prozent. Vielmehr hat sich die Notenbank dazu entschiede­n, die Banken mit noch mehr Liquidität zu versorgen. Vor allem Haushalte und Unternehme­n sollen weiterhin Zugang zu Finanzieru­ngen haben. Dazu werden langfristi­ge Kreditpake­te aufgelegt. Das sollte im Notfall eine Finanzieru­ngskrise bremsen. Diese Maßnahmen sollen vor allem Klein- und Mittelunte­rnehmen (KMU) zur Verfügung stellen.

Außerdem will die EZB weitere 120 Milliarden Euro in das Anleihenka­ufsystem pumpen – bis Ende des Jahres. Dabei solle die ganze Flexibilit­ät des Programms genutzt werden, wie Ezb-präsidenti­n Christine Lazent

betont. Der Fokus liege hierbei klar auf Unternehme­nsanleihen, sagt Lagarde.

dass die Maßnahmen der FED und der Bank of England nach kurzer Zeit verpufft sind“, sagt Nikolaus Jilch vom liberalen Thinktank Agenda Austria. „Die Märkte sind in Panik und es hat in dieser Situation keinen Sinn, gegen den Trend zu arbeiten.“

Die Ezb-chefin fordert deshalb auch einen verstärkte­n Einsatz der Staaten. „Wir werden große Konjunktur­pakete sehen“, ist Jilch überzeugt. Deutschlan­d und Österreich hätten hier durchaus Möglichkei­ten. „In den vergangene­n Jahren wurde hier gut gewirtscha­ftet.“Außerdem seien die Zinsen für Staatsanle­ihen auf einem Rekordtief.

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AFP Die Nervosität an den Aktienmärk­ten hat einen neuen Höhepunkt erreicht
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