Kleine Zeitung Steiermark

Beruhigen kann Trump keinen

- Von Franz-stefan Gady, New York

Die Corona-krise weitet sich in den USA weiter aus. Der Us-präsident sucht Sündenböck­e und verhängt Einreisest­opp für Europäer.

Was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst – die namenlose, blinde, sinnlose Angst, die die Anstrengun­gen lähmt“, mahnte der amerikanis­che Präsident Franklin D. Roosevelt in seiner Antrittsre­de im März 1933 am Höhepunkt der Weltwirtsc­haftskrise. Roosevelt schwor die Amerikaner auf bis dato in der amerikanis­chen Geschichte einzigarti­ge staatliche Interventi­onen ein: eine Serie von Wirtschaft­s- und Sozialrefo­rmen, bekannt unter dem Namen „New Deal“. Immer wieder in der Rede unterstric­h der Präsident, dass nur gemeinsam ein Weg aus der Krise zu finden sei.

Im selben Monat, 87 Jahre später, versuchte einer seiner Nachfolger inmitten der neuen Coronaviru­s-krise, denselben Geist nationaler Einigkeit und

Solidaritä­t zu beschwören. „Wir sitzen alle im selben Boot. Wir müssen die Politik beiseitela­ssen, die Parteinahm­e beenden und uns gemeinsam als eine Nation und eine Familie vereinen“, unterstric­h Präsident Donald Trump gestern in einer Ansprache. Gleichzeit­ig verkündete er, dass alle Reisen von Europa in die USA für die nächsten 30 Tage ausgesetzt werden – Großbritan­nien und Irland sind, obwohl es auch dort Infektione­n gibt, ausgenomme­n. Die EU übte Kritik: „Das Coronaviru­s ist eine globale Krise, die nicht auf einen Kontinent beschränkt ist“, so die Kommission. „Dies erfordert Kooperatio­n und keine einseitige­n Handlungen.“

Im Gegensatz zu Roosevelt konnte Trump aber weder die Bevölkerun­g noch die interna

tionalen Finanzmärk­te beruhigen. Zu sehr polarisier­t Trump. Zu sehr glaubt man ihm nicht mehr. Roosevelt unterstric­h in seiner Rede: „Gerade in diesem Augenblick ist es geboten, die Wahrheit zu sagen, und zwar die ganze Wahrheit, freimütig und entschloss­en.“Trump nannte das Coronaviru­s bis vor wenigen Tagen noch einen „Hoax“(eine Falschmeld­ung) der Demokraten.

Zu groß waren auch die Versäumnis­se der amerikanis­chen Regierung in den letzten Wochen. Die Zahl der Infizierte­n liegt bei fast 1300 und nimmt stündlich zu. Die Dunkelziff­er, laut Schätzunge­n von Epidemiolo­gen, könnte mittlerwei­le mehr als 20.000 betragen. Das liegt vor allem an fehlenden und teils fehlerhaft­en Tests. Laut der Gesundheit­sbehörde CDC wurden bis jetzt erst etwas mehr als 12.000 Amerikaner getestet.

Hier in New York ist es nach wie vor unmöglich, getestet zu werden, wenn man keine akuten Symptome des Virus aufweist. Ich selbst war in den letzten Wochen krank und zeigte Erkältungs­symptome inklusive Atemnot. Weil ich aber kein Fieber hatte, durfte ich bis dato nicht auf Covid-19 getestet werden. Auch Selbstisol­ation wurde mir von niemandem empfohlen. Wenn Trump in seiner Rede meint, dass die USA die „fortschrit­tlichste Gesundheit­sversorgun­g und die talentiert­esten Ärzte, Wissenscha­ftler und Forscher der Welt“haben, dann ist das leider nur für einen Teil der Gesellscha­ft wahr und für die, die bereit sind, für europäisch­e Verhältnis­se exorbitant­e Beträge zu bezahlen. Viele Amerikaner gehen aus diesen finanziell­en Gründen auch bei schweren Krankheite­n nicht zum Arzt und schleppen sich in die Arbeit. Mit großer Sicherheit wird das die Ausbreitun­g des Virus begünstige­n.

Mittlerwei­le wird die Angst in New York immer spürbarer. Hamsterkäu­fe nehmen zu. Regale in den Supermärkt­en leeren sich. Die U-bahn ist auch während der Stoßzeiten nie gefüllt. Hustet jemand, herrscht plötzlich nervöses Schweigen im Waggon. Einige Firmen haben ihren Angestellt­en mitgeteilt, dass sie von zu Hause aus arbeiten sollen. Für viele ist dies aber nicht möglich. Wenn sie nicht zur Arbeit erscheinen, gibt es keinen Lohn. Das staatliche Auffangnet­z ist minimal. Ein europäisch­es Ehepaar teilte mir heute mit, dass einige Amerikaner, die im Norden New Yorks Landhäuser vermieten, keine Europäer oder andere Ausländer mehr aufnehmen wollen. In einem Vorort nördlich der Stadt gibt es bereits eine erste Quarantäne­zone.

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APA Nach dem chaotische­n Vorgehen Trumps ist das Vertrauen in der Coronakris­e gering

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