Beruhigen kann Trump keinen
Die Corona-krise weitet sich in den USA weiter aus. Der Us-präsident sucht Sündenböcke und verhängt Einreisestopp für Europäer.
Was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst – die namenlose, blinde, sinnlose Angst, die die Anstrengungen lähmt“, mahnte der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt in seiner Antrittsrede im März 1933 am Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise. Roosevelt schwor die Amerikaner auf bis dato in der amerikanischen Geschichte einzigartige staatliche Interventionen ein: eine Serie von Wirtschafts- und Sozialreformen, bekannt unter dem Namen „New Deal“. Immer wieder in der Rede unterstrich der Präsident, dass nur gemeinsam ein Weg aus der Krise zu finden sei.
Im selben Monat, 87 Jahre später, versuchte einer seiner Nachfolger inmitten der neuen Coronavirus-krise, denselben Geist nationaler Einigkeit und
Solidarität zu beschwören. „Wir sitzen alle im selben Boot. Wir müssen die Politik beiseitelassen, die Parteinahme beenden und uns gemeinsam als eine Nation und eine Familie vereinen“, unterstrich Präsident Donald Trump gestern in einer Ansprache. Gleichzeitig verkündete er, dass alle Reisen von Europa in die USA für die nächsten 30 Tage ausgesetzt werden – Großbritannien und Irland sind, obwohl es auch dort Infektionen gibt, ausgenommen. Die EU übte Kritik: „Das Coronavirus ist eine globale Krise, die nicht auf einen Kontinent beschränkt ist“, so die Kommission. „Dies erfordert Kooperation und keine einseitigen Handlungen.“
Im Gegensatz zu Roosevelt konnte Trump aber weder die Bevölkerung noch die interna
tionalen Finanzmärkte beruhigen. Zu sehr polarisiert Trump. Zu sehr glaubt man ihm nicht mehr. Roosevelt unterstrich in seiner Rede: „Gerade in diesem Augenblick ist es geboten, die Wahrheit zu sagen, und zwar die ganze Wahrheit, freimütig und entschlossen.“Trump nannte das Coronavirus bis vor wenigen Tagen noch einen „Hoax“(eine Falschmeldung) der Demokraten.
Zu groß waren auch die Versäumnisse der amerikanischen Regierung in den letzten Wochen. Die Zahl der Infizierten liegt bei fast 1300 und nimmt stündlich zu. Die Dunkelziffer, laut Schätzungen von Epidemiologen, könnte mittlerweile mehr als 20.000 betragen. Das liegt vor allem an fehlenden und teils fehlerhaften Tests. Laut der Gesundheitsbehörde CDC wurden bis jetzt erst etwas mehr als 12.000 Amerikaner getestet.
Hier in New York ist es nach wie vor unmöglich, getestet zu werden, wenn man keine akuten Symptome des Virus aufweist. Ich selbst war in den letzten Wochen krank und zeigte Erkältungssymptome inklusive Atemnot. Weil ich aber kein Fieber hatte, durfte ich bis dato nicht auf Covid-19 getestet werden. Auch Selbstisolation wurde mir von niemandem empfohlen. Wenn Trump in seiner Rede meint, dass die USA die „fortschrittlichste Gesundheitsversorgung und die talentiertesten Ärzte, Wissenschaftler und Forscher der Welt“haben, dann ist das leider nur für einen Teil der Gesellschaft wahr und für die, die bereit sind, für europäische Verhältnisse exorbitante Beträge zu bezahlen. Viele Amerikaner gehen aus diesen finanziellen Gründen auch bei schweren Krankheiten nicht zum Arzt und schleppen sich in die Arbeit. Mit großer Sicherheit wird das die Ausbreitung des Virus begünstigen.
Mittlerweile wird die Angst in New York immer spürbarer. Hamsterkäufe nehmen zu. Regale in den Supermärkten leeren sich. Die U-bahn ist auch während der Stoßzeiten nie gefüllt. Hustet jemand, herrscht plötzlich nervöses Schweigen im Waggon. Einige Firmen haben ihren Angestellten mitgeteilt, dass sie von zu Hause aus arbeiten sollen. Für viele ist dies aber nicht möglich. Wenn sie nicht zur Arbeit erscheinen, gibt es keinen Lohn. Das staatliche Auffangnetz ist minimal. Ein europäisches Ehepaar teilte mir heute mit, dass einige Amerikaner, die im Norden New Yorks Landhäuser vermieten, keine Europäer oder andere Ausländer mehr aufnehmen wollen. In einem Vorort nördlich der Stadt gibt es bereits eine erste Quarantänezone.