Das Virus machte Kilde zum Hirscher-nachfolger
Absage in Kranjska Gora, damit steht der Norweger als neuer Sieger im Gesamtweltcup fest. „Ein Traum!“
Es war noch vor dem ersten Rennen der neuen Saison, als Aleksander Aamodt Kilde beim traditionellen Termin seines Ausrüsters Atomic mit Augenzwinkern meinte: „Ich fühle mich, als wäre ich heimgekommen. Es geht gut.“Auf die Gegenfrage, ob sich die Gegner nicht vor ihm fürchten müssten, wenn er so gut drauf sei, zuckte er nur mit den Schultern. Und lächelte.
Es war, wie es scheint, ein wissendes Lächeln. Denn seit gestern steht der Norweger tatsächlich als Sieger im Gesamtweltcup der Saison 2019/ 2020 fest – und damit als Nachfolger von Marcel Hirscher, der diese Wertung acht Mal in Folge für sich entschieden hatte. „Ein Traum ist wahr geworden“, sagte der 27-Jährige, der sozusagen der lachende Dritte eines „geplanten Zweikampfs“war – denn von der Papierform her hatte sich vor der Saison alles auf ein Duell zwischen dem Franzosen Alexis Pinturault und dem Norweger Henrik Kristoffersen eingestellt. Doch die programmierten Nachfolger des zurückgetretenen Skikönigs Hirscher patzten.
Das nützte Kilde, der zwar mit dem Super-g in Saalbach nur einen einzigen Sieg eingefahren hat, dafür aber elf Mal in den Top fünf gelandet ist und damit konstant „Big Points“abgeholt hat, vor allem auch im Riesentorlauf, wo er sich als mit Abstand bester Speed-fahrer am Ende der Saison sogar bis in Startgruppe eins fuhr. Und doch kam ihm die Absage der beiden geplanten Technikbewerbe in Slowenien zugute, denn da wäre er trotz allem im Nachteil gegenüber seinen beiden Konkurrenten gewesen. „Es wäre das perfekte Ende einer großartigen Saison gewesen, aber wir müssen aufgrund der derzeitigen Situation in der Welt aufpassen und die weitere Verbreitung des Coronavirus unbedingt verhindern“, sagte Kilde, der dann doch in einem Interview mit der FIS meinte: „Es ist unglaublich! Für mich war es eine wunderbare Saison, ich habe gute Resultate abgeliefert, es war ein großartiger Kampf mit Alexis und Henrik. Ich habe jedes Rennen und jeden Moment genossen“, sagte der vierte Gesamtweltcupsieger aus Norwegen nach Kjetil Andre Aamodt, Lasse Kjus und Aksel Lund Svindal.
Wenig überraschend für „Mr. Oberschenkel“– Kilde gilt als kräftigster Fahrer im Weltcup – ist seine Erklärung für den Sieg: „Es ist das Ergebnis harter Arbeit über einen langen Zeitraum.“
Bleibt nur die bittere und gültige Erkenntnis, dass Österreich nun definitiv ohne Weltcupkugel blieb und auch den Nationencup erstmals seit 30 Jahren nicht gewonnen hat. Und das, obwohl etwa Matthias Mayer die bisher beste Saison seiner Karriere fuhr.
Auch wenn Stefan Kraft vor den letzten zwei Bewerben dieses Winters 140 Punkte Vorsprung auf den Deutschen Karl Geiger aufwies und der Gewinn des Gesamtweltcups nur noch reine Formsache war, hätte sich der Salzburger wohl ein anderes Saisonende gewünscht. So aber wurden die letzten zwei Stationen der Raw-air-serie in Trondheim und Vikersund aufgrund der Coronavirus-krise abgesagt und der Österreicher fixierte seinen zweiten Gesamtweltcupsieg nach 2016/17 kampflos.
Ein abrupter Schlussstrich (auch die Skiflug-wm in Planica wurde storniert), der aber nicht die herausragende und vor allem konstante Leistung, die Kraft in diesem Winter serviert hat, schmälern soll. So landete der Österreicher im Einzel 15 Mal auf dem Podest, wurde fünf Mal Erster, acht Mal Zweiter und zwei Mal Dritter. „Am Ende ist es schnell gegangen, aber Gesundheit geht natürlich vor. Die Absagen waren die richtige Entscheidung“, ist der Salzburger überzeugt.
Gesamtweltcupsieg, mit dem er jetzt auf einer Stufe mit Armin Kogler, Gregor Schlierenzauer und Thomas Morgenstern steht, hat für den Weitenjäger ein besonderes Gewicht, weil: „Beim ersten Mal habe ich mir noch gedacht: ,Genieße den Moment. Wer weiß, ob das je wiederkommt.‘ Jetzt habe ich zum zweiten Mal die große Kugel und die Skiflugkugel auch noch – das ist ein Wahnsinn“, jubelte