Nicht die Zeit für Sparsamkeit
Die Regierung mobilisiert ehrfurchtgebietende Beträge, um Arbeitsplätze durch die Krise zu tragen. Zu Recht: Wenn es je einen Moment gab, sein Konto zu überziehen, dann jetzt.
Am Mittwoch, kurz nachdem die Regierung bekannt gegeben hatte, ein 38-Milliarden-euro-hilfspaket für Österreichs Wirtschaft aufzulegen, machte ein kleiner Witz (in verschiedenen Varianten) die Runde: „Ein Leben lang noch nie das Konto überzogen – und dann gleich um 38 Milliarden auf einmal!“
Eine ein wenig böse Satire auf Finanzminister Gernot Blümel, der in einem Antrittsinterview erklärt hatte, noch nie im Minus gewesen zu sein – und der stets versichert hatte, mit dem Staatshaushalt ähnlich umgehen zu wollen.
Dass dieses Vorhaben nun angesichts des Krisenpakets der Regierung Makulatur ist, mag für den geschwinden Lacher in dunklen Zeiten gut sein – als ideologisches Argument, dass ein schlanker, sparsamer Staat eine Irrlehre sei, taugt es nicht.
Denn wer nun triumphierend einwendet: „Ah, wenn es um die Wirtschaft geht, rufen sogar die Sparsamsten auf einmal nach Staatsschulden“, verkennt die Lage gleich in zweierlei Hinsicht. Erstens, weil es ein Strohmann-argument ist: Selbst die hartgesottensten Wirtschaftsliberalen sind nicht per se gegen Staat, Steuern und Schulden – sondern dafür, sie mit Maß und Ziel handzuhaben.
So war das Problem der vergangenen Jahrzehnte ja nicht, dass die Republik in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie der Finanzkrise ab 2007 Hilfspakete geschnürt und damit der Wirtschaft wieder Starthilfe geleistet hatte, sondern dass sich der Staat auch in fetten Jahren nicht zurücknahm und selbst, während Steuereinnahmen sprudelten, weiter munter Schulden machte.
Der Bundeskanzler – unter dessen erster Regierung sich dieser Trend zu wenden begann (wenn auch mehr dank einer extrem prosperierenden Wirtschaft denn übermäßiger Sparsamkeit) – liegt richtig, wenn er sagt: „Der Staat muss in guten Zeiten sparsam mit Steuergeld umgehen, damit er in schlechten Zeiten helfen kann.“
Der zweite Irrtum liegt darin, dass „die Wirtschaft“logisch von unserem Alltag zu trennen wäre. Das ist in dieser Krise sichtbarer als je zuvor: Kaum jemand, der keinen Ein-personen-unternehmer kennt – ob Gärtner, eine Yogalehrerin, einen Programmierer –, an dem schneller zu sehen ist, wie abstrakte Kennzahlen wie das BIP auf das Geldbörsel jedes Einzelnen durchschlagen.
Den EPUS wird genauso zu helfen sein wie den zahllosen Arbeitnehmern, die diese Krise noch hervorbringen wird – allein am Montag und Dienstag wurden fast 50.000 Menschen beim AMS angemeldet.
38 Milliarden Euro nimmt die Republik dazu nun in die Hand – eine ehrfurchtgebietende Zahl, fast halb so viel, wie sie jedes Jahr in Summe ausgibt, für Lehrer und Polizisten, für Straßenbau und Pensionszuschüsse und vieles mehr. Ob das reichen wird, zunächst den Abbau von Arbeitsplätzen zu stoppen und der Wirtschaft nach der Krise wieder Starthilfe zu geben? Das wird erst die Zeit zeigen. Aber wenn es je einen Moment gab, das Konto zu überziehen, dann jetzt.