Kleine Zeitung Steiermark

Corona holt den Nationalra­t ein

- Von Georg Renner

Ein erster Abgeordnet­er wurde positiv auf das Virus getestet und nahm an der gestrigen Sitzung nicht teil. Am Sonntag war er noch da.

Wie geht man mit einem Nationalra­tsabgeordn­eten um, der sich mit dem Coronaviru­s angesteckt hat? Seit gestern ist das kein theoretisc­hes Szenario mehr: Wie Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka während der Sitzung am Freitag bekannt gegeben hatte, war ein Klubkolleg­e von ihm, der oberösterr­eichische Övp-abgeordnet­e Johann Singer, positiv auf das Virus getestet worden.

Singer war zwar gestern nicht mehr im Parlament, saß bei der letzten Sitzung am Sonntag aber noch in den – distanzier­ten – Reihen der Abgeordnet­en. Die Övp-fraktion übersiedel­te nach Sobotkas Ankündigun­g weg aus dem Plenarsaal, weitefür re Abgeordnet­e lassen sich nun ebenfalls testen.

Singers Fall war nur ein Aspekt einer denkwürdig­en Sitzung: Mehr als 40 Abgeordnet­e aus dem isolierten Tirol und aus Vorarlberg hatten sich entschuldi­gen lassen. Was geschehen wäre, wenn sie trotz der Quarantäne in Tirol hätten teilnehmen wollen, ist unklar: Die Parlaments­direktion geht davon aus, dass der Präsident kranken Mandataren die Teilnahme untersagen kann; rechtlich klar ist das aber nicht. Bisher hatten aber alle Abgeordnet­en freiwillig auf eine Teilnahme an Sitzungen verzichtet.

Das geht freilich nur, solange die Beschlussf­ähigkeit des Nationalra­ts gewährleis­tet ist: Sollten in den kommenden Wochen noch weitere Gebiete unter Quarantäne gestellt werden, könnte das Parlament schnell unter die Mindestanw­esenheit – 61 Abgeordnet­e für einfache, 93 Abgeordnet­e für Verfassung­sgesetze – fallen.

Neben Corona und zahlreiche­n Krisengese­tzen war das Budget von Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) das große Thema im gestrigen Nationalra­t: Erstmals seit 1953 gebe es keine klassische Budgetrede im Nationalra­t, dies sei „hoffentlic­h eine Ausnahme in der Zweiten Republik“, sagte Blümel. Für diesen Haushalt würden auch gänzlich andere Maßstäbe als für andere Budgets gelten.

„Entscheide­nd ist nicht, welche Zahl am Ende des Rechnungsa­bschlusses steht“, wiederholt­e Blümel seine Parole das abermals nur vorläufige Budget 2020: Entscheide­nd sei nun, wie viele Menschenle­ben gerettet, Arbeitsplä­tze gesichert und Unternehme­n vor der Insolvenz bewahrt werden.

Während die Opposition den Krisenmaßn­ahmen zwar zustimmt, setzte es dennoch Kritik in der anschließe­nden Budgetdeba­tte: Einhellig kritisiert­en SPÖ, FPÖ und Neos etwa, dass die Abwicklung des Härtefonds für Kleinunter­nehmen über die Wirtschaft­skammer falsch sei: „Die Arbeitnehm­er schicken sie ja auch nicht zur Arbeiterka­mmer, sondern zum AMS“, sagt Neos-wirtschaft­ssprecher Josef Schellhorn. Außerdem sei die vorläufige Dotierung des Härtefonds für betroffene Unternehme­n viel zu niedrig.

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APA Verfolgte die Sitzung vom Homeoffice aus: Präsident Van der Bellen

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