Corona holt den Nationalrat ein
Ein erster Abgeordneter wurde positiv auf das Virus getestet und nahm an der gestrigen Sitzung nicht teil. Am Sonntag war er noch da.
Wie geht man mit einem Nationalratsabgeordneten um, der sich mit dem Coronavirus angesteckt hat? Seit gestern ist das kein theoretisches Szenario mehr: Wie Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka während der Sitzung am Freitag bekannt gegeben hatte, war ein Klubkollege von ihm, der oberösterreichische Övp-abgeordnete Johann Singer, positiv auf das Virus getestet worden.
Singer war zwar gestern nicht mehr im Parlament, saß bei der letzten Sitzung am Sonntag aber noch in den – distanzierten – Reihen der Abgeordneten. Die Övp-fraktion übersiedelte nach Sobotkas Ankündigung weg aus dem Plenarsaal, weitefür re Abgeordnete lassen sich nun ebenfalls testen.
Singers Fall war nur ein Aspekt einer denkwürdigen Sitzung: Mehr als 40 Abgeordnete aus dem isolierten Tirol und aus Vorarlberg hatten sich entschuldigen lassen. Was geschehen wäre, wenn sie trotz der Quarantäne in Tirol hätten teilnehmen wollen, ist unklar: Die Parlamentsdirektion geht davon aus, dass der Präsident kranken Mandataren die Teilnahme untersagen kann; rechtlich klar ist das aber nicht. Bisher hatten aber alle Abgeordneten freiwillig auf eine Teilnahme an Sitzungen verzichtet.
Das geht freilich nur, solange die Beschlussfähigkeit des Nationalrats gewährleistet ist: Sollten in den kommenden Wochen noch weitere Gebiete unter Quarantäne gestellt werden, könnte das Parlament schnell unter die Mindestanwesenheit – 61 Abgeordnete für einfache, 93 Abgeordnete für Verfassungsgesetze – fallen.
Neben Corona und zahlreichen Krisengesetzen war das Budget von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) das große Thema im gestrigen Nationalrat: Erstmals seit 1953 gebe es keine klassische Budgetrede im Nationalrat, dies sei „hoffentlich eine Ausnahme in der Zweiten Republik“, sagte Blümel. Für diesen Haushalt würden auch gänzlich andere Maßstäbe als für andere Budgets gelten.
„Entscheidend ist nicht, welche Zahl am Ende des Rechnungsabschlusses steht“, wiederholte Blümel seine Parole das abermals nur vorläufige Budget 2020: Entscheidend sei nun, wie viele Menschenleben gerettet, Arbeitsplätze gesichert und Unternehmen vor der Insolvenz bewahrt werden.
Während die Opposition den Krisenmaßnahmen zwar zustimmt, setzte es dennoch Kritik in der anschließenden Budgetdebatte: Einhellig kritisierten SPÖ, FPÖ und Neos etwa, dass die Abwicklung des Härtefonds für Kleinunternehmen über die Wirtschaftskammer falsch sei: „Die Arbeitnehmer schicken sie ja auch nicht zur Arbeiterkammer, sondern zum AMS“, sagt Neos-wirtschaftssprecher Josef Schellhorn. Außerdem sei die vorläufige Dotierung des Härtefonds für betroffene Unternehmen viel zu niedrig.