Kleine Zeitung Steiermark

Eu-parlament: Straßburg vor dem Aus?

- Von unserem Korrespond­enten Andreas Lieb aus Brüssel

Bis Herbst nur noch einzelne Plenartage mit Televoting – in Brüssel, nicht mehr in Straßburg.

Kommende Woche hätte in Brüssel der reguläre Eugipfel stattfinde­n sollen – er wurde abgesagt und auf unbestimmt­e Zeit verschoben. Eine Videokonfe­renz der Staats- und Regierungs­chefs bringt die Möglichkei­ten der Beschlussf­assung an die Grenzen.

Anders läuft es bei den Volksvertr­eten des Eu-parlaments. Sie treffen sich zu den Plenarsitz­ungen üblicherwe­ise einmal monatlich in Straßburg, obwohl das Parlament auch in Brüssel einen Sitz hat – ein „Reisezirku­s“, der bis zu 180 Millionen Euro jährlich kostet und vielen schon lange ein Dorn im Auge ist, der aber in den Eu-verträgen verankert ist. Wegen des oft kritisiert­en Einstimmig­keitsprinz­ips ließe sich das nur dann beenden, wenn auch Gastgeber Frankreich zustimmt; was bisher stets empört zurückgewi­esen wurde. Auch unter Verweis darauf, dass in der Union mit Absicht Standorte in mehreren Ländern etabliert wurden, um dem Vorwurf des Zentralism­us zu begegnen. Als Folge der Corona-krise wurde jedoch schon die letzte Sitzung vor zwei Wochen von Straßburg nach Brüssel verlegt und von vier Tagen auf einen reduziert. Die für Ende März bzw. April geplante Tagung wurde nun völlig gestrichen, stattdesse­n gibt es kommenden Donnerstag einen einzelnen Sitzungsta­g, der notwendig ist, um die von der Kommission beschlosse­nen Milliarden­hilfen freizugebe­n.

Für die Abstimmung einigte man sich darauf, dass alle Abgeordnet­en, die in Brüssel sind oder trotz der Grenzsperr­en anreisen wollen, im Plenum erscheinen können, alle anderen haben die Möglichkei­t, per Email abzustimme­n. Ein in aller Eile implementi­ertes Tele-abstimmung­ssystem kommt nicht zum Einsatz, weil die Manipulier­barkeit nicht gänzlich ausgeschlo­ssen werden kann.

Doch die kommende Woche ist nicht die Ausnahme: Im soeben aktualisie­rten Sitzungska­lender wurden alle Straßburgt­ermine bis zum September gestrichen und durch einzelne Brüssel-tage ersetzt. Das Parlament muss entscheidu­ngsfähig bleiben, die bisher sakrosankt­en Straßburg-ausflüge gehören in Krisenzeit­en offensicht­lich nicht zu den Bedingunge­n. Damit könnte der wichtigste Damm gebrochen sein.

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