Eu-parlament: Straßburg vor dem Aus?
Bis Herbst nur noch einzelne Plenartage mit Televoting – in Brüssel, nicht mehr in Straßburg.
Kommende Woche hätte in Brüssel der reguläre Eugipfel stattfinden sollen – er wurde abgesagt und auf unbestimmte Zeit verschoben. Eine Videokonferenz der Staats- und Regierungschefs bringt die Möglichkeiten der Beschlussfassung an die Grenzen.
Anders läuft es bei den Volksvertreten des Eu-parlaments. Sie treffen sich zu den Plenarsitzungen üblicherweise einmal monatlich in Straßburg, obwohl das Parlament auch in Brüssel einen Sitz hat – ein „Reisezirkus“, der bis zu 180 Millionen Euro jährlich kostet und vielen schon lange ein Dorn im Auge ist, der aber in den Eu-verträgen verankert ist. Wegen des oft kritisierten Einstimmigkeitsprinzips ließe sich das nur dann beenden, wenn auch Gastgeber Frankreich zustimmt; was bisher stets empört zurückgewiesen wurde. Auch unter Verweis darauf, dass in der Union mit Absicht Standorte in mehreren Ländern etabliert wurden, um dem Vorwurf des Zentralismus zu begegnen. Als Folge der Corona-krise wurde jedoch schon die letzte Sitzung vor zwei Wochen von Straßburg nach Brüssel verlegt und von vier Tagen auf einen reduziert. Die für Ende März bzw. April geplante Tagung wurde nun völlig gestrichen, stattdessen gibt es kommenden Donnerstag einen einzelnen Sitzungstag, der notwendig ist, um die von der Kommission beschlossenen Milliardenhilfen freizugeben.
Für die Abstimmung einigte man sich darauf, dass alle Abgeordneten, die in Brüssel sind oder trotz der Grenzsperren anreisen wollen, im Plenum erscheinen können, alle anderen haben die Möglichkeit, per Email abzustimmen. Ein in aller Eile implementiertes Tele-abstimmungssystem kommt nicht zum Einsatz, weil die Manipulierbarkeit nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann.
Doch die kommende Woche ist nicht die Ausnahme: Im soeben aktualisierten Sitzungskalender wurden alle Straßburgtermine bis zum September gestrichen und durch einzelne Brüssel-tage ersetzt. Das Parlament muss entscheidungsfähig bleiben, die bisher sakrosankten Straßburg-ausflüge gehören in Krisenzeiten offensichtlich nicht zu den Bedingungen. Damit könnte der wichtigste Damm gebrochen sein.