Ein großer Schelm im kleinen Staat
Endlich ist er da, der große Liechtensteinroman. Benjamin Quaderer hat ihn geschrieben und bäckt dabei keine kleinen Brötchen.
eine schreiberische Großtat, mit der der gebürtige Vorarlberger jenem Kleinstaat, in dem er aufgewachsen ist, ein würdiges Denkmal setzt.
Mehr als 600 Seiten hat dieser mächtige Brocken, der an seinen besten Stellen – und davon gibt es viele – in der funkelnden Gestalt eines aberwitzigen Schelmenromans daherkommt. Quaderer greift für seine Fiktion, die er oft mit jugendlichem Übermut vorantreibt, auf den realen Fall eines Liechtensteiner Bankmitarbeiters zurück, der deutschen Behörden Informationen über mutmaßliche Steuerhinterzieher zugespielt haben soll. Dadurch machte er sich naturgemäß wenig Freunde, dafür zum Erzfeind seines Heimatstaates und musste untertauchen. Bei Quaderer heißt dieser „Verräter“Johann Kaiser, der aus seinem Exil heraus sein Leben an sich und uns Lesern vorbeifließen lässt.
Das ist ein recht liebliches Bächlein zunächst, solange es um die frühe Kindheit geht, wächst aber schnell zum reifürwahr ßenden Fluss an, sobald die sadistischen Zwillingsschwestern auftauchen, die den Kaiser-buben mit einem Polster ersticken wollen. Der Fluss treibt Johann Kaiser in die Welt hinaus, der Waisenknabe entwickelt sich zum Meisterdieb, dieser zum Meister der Manipulation und Fälschung, dessen Taten immer auch die scheinheilige Welt widerspiegeln, die er betrügt.
Mit dem Schalk im Nacken vollbringt Benjamin Quaderer eine oft waghalsige Alpenüberquerung, und sein Tritt ist für einen Debütanten erstaunlich sicher. Der 31-Jährige besticht und überzeugt durch große Fabulierkunst und Ideenreichtum. Manchmal allerdings wird alles zu viel: zu viele Ebenen, zu viele Spielereien, zu viele Haken, zu viele Figuren, zu viel eitles Zurschaustellen der Schreibmuckis. Da sollte sich Quaderer vielleicht ein Beispiel an dem Land nehmen, über das er auf weiten Strecken zu großartig schreibt: Small is beautiful.