Zwei Boten des Frühlings
Sie kommen zur ungefähr gleichen Zeit wieder, Jahr für Jahr, und symbolisieren den Kreislauf der Natur auf tierischer und pflanzlicher Ebene. Und gerade in Zeiten wie diesen, in denen allerorten Sicherheiten wegbrechen und sich im Vakuum Ängste aller Art festsetzen, sind wir für Gewissheiten, Verlässlichkeiten und wiederkehrende Rituale dankbar.
Sie, die Störche: Allein im Burgenland, wo auch dieses Foto entstanden ist, landen von Mitte März bis Mitte April rund 120 Pärchen und kehren meist zu ihren angestammten Brutplätzen in luftiger Höhe zurück. Spätestens Anfang Mai werden die Eier gelegt, die von beiden Partnern ausgebrütet werden. Im Spätsommer dann fliegen die Jungvögel – nicht selten vor ihren Eltern – in Richtung Afrika. Der (Aber-)glaube, dass der Storch nicht nur den Frühling bringt, sondern auch die Babys, hat sich übrigens erst im 18. Jahrhundert von Norddeutschland aus auch bei uns verbreitet. Demnach soll der Storch die Kinder aus einem Brunnen holen und anschließend die Mutter ins Bein beißen, damit sie sich ins Bett begibt, in das Meister Adebar dann das Kind legt.
Sie, die Magnolie: eine empfindsame Majestät, eine sprichwörtliche Mimose gleichsam, und, wie alles Schöne, äußerst vergänglich. Zwei Wochen nur währt ihre prachtvolle Regentschaft, zwei Wochen nur können wir uns an dieser exaltierten Farbenpracht berauschen. Als Strauch oder als Baum tritt die stolze Königin selbstbewusst in Erscheinung; mehr als 300 Arten gibt es. Noch. Denn das Schöne ist nicht nur vergänglich, sondern auch gefährdet. Die Hälfte der Arten steht auf der Roten Liste der gefährdeten Pflanzen.
Majestät Magnolie ist übrigens ein uraltes Adelsgeschlecht, eine Gattung, die 100 Millionen Jahre bis in die Kreidezeit zurückreicht. Und wie jeder Zauber hat auch dieser einen Schönheitsfehler: Die Magnolie ist nämlich das Nationalsymbol eines Landes, das nicht gerade für Freiheit und Farbenpracht steht, sondern für Finsternis und Unterdrückung – das Land heißt Nordkorea. Bernd Melichar
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