Böse Hosen
In Krisenzeiten schafft es bekanntlich Trost und Rat, sich moralisch an den großen Propheten festzuhalten. Diesfalls an Karl Lagerfeld, der, wir erinnern uns, einst festgestellt hat, dass Menschen, die Jogginghosen tragen, die Kontrolle über ihr Leben verloren haben.
Wie wahr. Wie überaus wahr. Homeoffice, Woche eins. Man sitzt zu Hause und muss in Videokonferenzen Aufgaben organisieren, die sich sonst wie von selbst erledigen. Die, mit denen man konferiert, sitzen auch zu Hause und sind alle sauber angezogen. Klar, ist ja Arbeit. Andererseits sieht man einander in Videokonferenzen nur bis zum Brustbein. Ich schaue mir also die Oberkörper der Kollegenschaft an und denke: Ich weiß, was da unten mit euch los ist: Sweatshirtstoff und Gummibund.
Ärger als Jogginghosen sind eigentlich nur Unterwäsche und Schlafmantel, tagsüber getragen der unumstrittene Höhepunkt modischer Verkommenheit (außer man ist ein linientreuer Fan des Films „The Big Lebowski“).
Außerdem sind Jogginghosen das einzige Kleidungsstück, das Verrat an seinem Träger übt. Trägt man sie, etwa in Quarantänesituationen und bei gut gefüllter Speis, wochenlang, sind sie so bequem, dehn- und weitenverstellbar, dass einem, wenn man dann endlich wieder unter Leute darf, wahrscheinlich die Jeans nicht mehr passen. So böse sind Jogginghosen. Karl Lagerfeld und ich, wir wissen, wovon wir sprechen. UB