Kleine Zeitung Steiermark

„Unser Gehirn muss schwitzen’“

- Von Carmen Oster

Wir sind aufgeforde­rt, so wenig wie möglich nach draußen und unter Menschen zu gehen. Was macht das mit unserem Gehirn?

KATHARINA TURECEK: Die Gesundheit unseres Gehirns basiert auf drei Säulen: der geistigen Aktivität, der körperlich­en Fitness und dem seelischen Wohlbefind­en. Wenn wir den ganzen Tag zu Hause herumsitze­n, gefährden wir alle drei Säulen. Nutze es oder verliere es, lautet ein Grundprinz­ip. Wer alle drei Säulen vernachläs­sigt, riskiert Einbußen in seiner geistigen Leistungsf­ähigkeit. Das merkt man dann, indem man vergesslic­h wird, unkonzentr­iert, aber auch lustlos und demotivier­t. Das muss aber nicht so sein. Wir können auch zu Hause auf die drei Säulen geistiger Fitness achten.

Abenteuer im Kopf: Kognitions­wissenscha­ftlerin Katharina Turecek verrät, wie man sein Hirn während der Isolation fit hält und wie dabei sogar Urlaubssti­mmung aufkommen könnte.

Das Schlüsselw­ort lautet Aktivität. Geistig, körperlich und sozial. Es macht einen Unterschie­d, ob wir nun passiv daheimsitz­en und uns berieseln lassen oder die gewonnene Zeit nutzen, um uns dem Thema zu widmen, das uns schon lange interessie­rt. In dieser Hinsicht kann diese Krise zur Chance werden. Sie ermöglicht uns, eine Welt in unserem Kopf entstehen zu lassen, den Horizont zu erweitern. Mein Tipp wäre, selbst zu entscheide­n, mit welThema man sich jetzt auseinande­rsetzen möchte.

Viele turnen, um fit zu bleiben: Wie trainiert man sein Gehirn?

Es gibt ein vielfältig­es Angebot an Gehirnjogg­ing-übungen und ich werde oft gefragt, welche Übungen besonders hilfreich sind. Da gibt es eine einfache Regel: Damit eine Übung zum Training wird, muss unser

„schwitzen“, das heißt, wir wollen uns mit Gehirnjogg­ing-übungen neuen geistigen Herausford­erungen stellen. Das erste Sudoku, das wir gelöst haben, das war gutes Gehirntrai­ning, weil wir noch nachdenken mussten. Das tausendste können wir ohne Anstrengun­g ausfüllen – der Trainingse­ffekt ist geringer. Daher ist es ratsam, bei entspreche­nchem den Übungen auf Vielfalt zu achten und auch einmal den Schwierigk­eitsgrad zu erhöhen.

Spielt die Bewegung im Freien eine wichtige Rolle fürs Hirn?

Studien zeigen, dass Bewegung wichtig für unser Gehirn ist. So werden vor allem beim

Ausgehirn

dauersport im Gehirn Wachstumsf­aktoren ausgeschüt­tet, welche die Neubildung von Nervenzell­en anregen und so unsere Gedächtnis­zentrale stärken. Die gute Nachricht ist: Dieser Effekt tritt auch bei Indoor-bewegungen ein. Wer mit Bewegung sein Gehirn fit halten möchte, sollte daher besonders auf Ausdauertr­aining setzen. Toll, wenn man einen Hometraine­r oder ein Laufband zu Hause hat. Aber auch hier ist ein Training ohne Technik möglich: Probieren Sie, auf der Stelle zu joggen oder zu marschiere­n, Treppen zu steigen oder mit einem Springseil zu springen – wer kein Seil hat, kann es mit Hampelmann­sprüngen probieren. Wie wäre es mit einer Tanzstunde im Wohnzimmer?

Wir sollen auf Distanz zueinander gehen: Gibt es so etwas wie ein

soziales Gehirn?

Wir Menschen

sind soziale Lebewesen und brauchen Kontakte. Eine Einschränk­ung sozialer Kontakte kann sich auf das Gemüt schlagen, unser soziales Netz ist ein Schutzfakt­or für unsere Psyche. Zum Glück gibt es viele Möglichkei­ten, auch in dieser schweren Zeit Kontakt aufzunehme­n. Aber selbst ohne Technik können manche Beziehunge­n durch die Krise vielleicht sogar intensivie­rt werden. Man kann die Situation zum Anlass nehmen, sich bewusst zu überlegen: Mit wem möchte ich gerade jetzt länger und intensiver telefonier­en oder wem könnte ich eine E-mail schreiben?

Wenn man die Zeit nutzen will, um eine Fremdsprac­he zu lernen. Wie startet man?

Suchen Sie Kontakt zur Sprache, indem Sie Musik oder Videos in der Sprache ansehen oder auch im Hintergrun­d hören. Da man momentan viel Zeit zu Hause verbringt, kann man auch die Wohnung ins Lernen miteinbezi­ehen. Wie wäre es mit kleinen Vokabelauf­klebern, mit denen Sie Ihre Möbel oder etwa alle Lebensmitt­el im Kühlschran­k beschrifte­n? So wird die Quarantäne fast zu einem Kurzurlaub.

zum Coronaviru­s laufen momentan weltweit. Zwei Impfstoffk­andidaten werden in klinischen Tests untersucht, weitere 48 in präklinisc­hen Tests.

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