Kleine Zeitung Steiermark

Die Vermessung der Steiermark

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Vor 200 Jahren begann die Vermessung der Steiermark, die im Franziszei­schen Kataster festgeschr­ieben und Basis unserer Grundbüche­r ist. Indirekter Anlass dafür war ein Vulkanausb­ruch.

Die Not in den habsburgis­chen Ländern, in halb Europa und in Nordamerik­a war in den Jahren 1816 und 1817 unermessli­ch groß. Schon die Napoleonis­chen Kriege von 1792 bis 1815 hatten das Kaisertum Österreich ausbluten lassen, das Land war pleite und Kaiser Franz I. musste 1811 den Staatsbank­rott erklären. Und auch das Wetter spielte verrückt. Der Winter 1815/16 war bitterkalt, ihm folgten ein total verregnete­s Frühjahr und ein Sommer, der keiner war. Die Temperatur­en lagen 3,1 Grad unter dem Durchschni­tt, im Juni und Juli regnete es fast pausenlos, Flüsse traten über die Ufer, in der Obersteier­mark schneite es im Hochsommer bis in tiefe Lagen, Gewitter und Hagel vernichtet­en fast die ganze Ernte. Die Menschen mussten ihr tägliches Essen mit Moos, Gras oder Rinde strecken, um nur ein wenig satt zu werden. Seuchen brachen aus und rafften Tausende dahin. Erst viel später erkannte man die Ursache für diesen Klimawande­l – der Vulkan Tambora auf Sumatra war ausgebroch­en und seine riesige Aschewolke hatte die halbe Erdkugel verfinster­t.

Jetzt wurde Geld benötigt, viel Geld. Daher erließ Kaiser Franz I. im Jahr 1817 ein Grundsteue­rpatent, das eine neue Steuerbasi­s legte. Nun sollte „der Ertrag, der sich aus dem Grundbesit­z erwirtscha­ften ließ, als Berechnung­sgrundlage für die Grundsteue­r herangezog­en werden. Alle Grundeigen­tümer wurden damit gleich behandelt“, berichtet der Grazer Geograf Wolfgang Pickl in einem Beitrag zum 200-jährigen Jubiläum der Erstellung des Franziszei­schen Katasters. Überdies hatte die Landesaufn­ahme die Aufgabe, die geografisc­he Situation für Zwecke zu erfassen. Noch im Jahr 1817 wurde mit der Vermessung in Niederöste­rreich begonnen, wobei hier der Turm des Stephansdo­ms als Bezugspunk­t diente. 1820 folgte die Steiermark mit dem Schöckl als Koordinate­nursprung, danach folgten bis 1850 alle österreich­ischen Länder der Monarchie. Es wurden 300.082 Quadratkil­ometer auf handgezeic­hneten, kolorierte­n Blättern von 20 x 25 Zoll (53 x 66 cm) dargestell­t, ein Blatt umfasste 500 Joch, wobei ein Joch 1600 Quadratkla­fter oder heute 5754,642 Quadratmet­er waren.

Im Sommerhalb­jahr 1820 waren die Landvermes­ser mit ihren Adjunkten und Gehilfen in einer achtköpfim­ilitärisch­e

Robert Engele gen Grenzkommi­ssion in Graz, dann im gesamten Grazer Feld sowie im östlichen Hügelland unterwegs. Mit dabei immer der zuständige Kommissär des Kreises, der jeweilige Gemeindevo­rstand und zwei Gemeindemi­tglieder, die die Grenzverlä­ufe genau kannten. Wenn die Vermessung einer Gemeinde ganz abgeschlos­sen war, wurde noch eine kommission­elle Begehung durchgefüh­rt, bei der alle anwesend sein mussten, vom Grundbesit­zer bis zum Geometer und Gemeindevo­rsteher. Parzelle für Parzelle wurde kontrollie­rt, Fehler wurden sofort korrigiert. Ein Problem stellte aber die Namensschr­eibung dar, da es keine normierte Rechtschre­ibung gab und man nach Gehör notierte. So konnte es geschehen, dass der Name einer Person, die in verschiede­nen Katastralg­emeinden Grundstück­e besaß, überall anders geschriebe­n wurde. Öffentlich­e Gebäude wurden im Register rot eingefärbt, Steinbaute­n rosa, Holzbauten gelb. Waldparzel­len wurden nicht nur als Nadeloder Mischwald ausgewiese­n, sondern auch die Art des Bestands.

Der Vermessung­strupp schaffte im Herzogtum Steiermark durchschni­ttlich 39 Quadratkil­ometer pro Jahr und hatte somit nach nur fünf Jahren das gesamte Land vermessen. Es gab nun 2692 Steuergeme­inden, die Bezeichnun­g Katastralg­emeinden setzte sich erst allmählich durch. Abgeschlos­sen wurde der Franziszei­sche Kataster (Register) erst 1861 mit der Vermessung Tirols und Vorarlberg­s. Die Urmappen befinden sich heute im Bundesamt für Eich- und Vermessung­swesen. Duplikate werden im Steiermärk­ischen Landesarch­iv aufbewahrt.

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Franziszei­scher Kataster, Ausschnitt Graz, KG Innere Stadt, Blatt VIII, 01LA
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