Kleine Zeitung Steiermark

Reifer mit Eifer

Die Durchführu­ng der Matura unter besonderen Bedingunge­n ist ein guter Kompromiss für die Betroffene­n und ein wichtiges Zeichen für Normalität in Krisenzeit­en.

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Generation­en von Schülerinn­en und Schülern in Österreich ackerten sich durch Friedrich Torbergs legendären Roman „Der Schüler Gerber“– mit des Protagonis­ten Sprung aus dem Fenster vor der Bekanntgab­e der Ergebnisse der mündlichen Matura. Auch wenn immer wieder einmal Schweiß und Tränen fließen, endet die Reifeprüfu­ng sonst zum Glück nicht so tragisch. In diesem Jahr ist es nach wochenlang­er coronabedi­ngter Unsicherhe­it schon eine reife Leistung, dass die Matura überhaupt stattfinde­t. Dass es sie gibt, ist jedenfalls positiv.

Natürlich finden sich auch einige logische Argumente gegen die Durchführu­ng. Was soll so eine Matura in abgespeckt­er Form, ohne verpflicht­enden mündlichen Teil, überhaupt bringen? Können die Schüler nach Wochen des Chaos überhaupt vorbereite­t in die Zentralmat­ura gehen? Und abgesehen davon, wie oft werden sie ihr Maturazeug­nis in Zukunft jemals herzeigen müssen?

Die guten Gründe, den Schülern trotz allem einen einigermaß­en „normalen“Abschluss zu ermögliche­n, überwiegen jedoch – nicht nur aus pädagogisc­her Perspektiv­e betrachtet. Für die Maturanten ist es der Abschluss einer gemeinsame­n vierjährig­en (Ahs-oberstufe) oder fünfjährig­en (BHS) Schulzeit. Das Lernen, Zittern und Warten auf Ergebnisse im Kreis der Klassenkol­legen gehört zum Abschluss eines in vielen Bereichen einschneid­enden Lebensabsc­hnittes. In Tagen wie diesen verfestige­n sich noch einmal oft Freundscha­ften, die Jahrzehnte halten werden.

Am Ende der Schullaufb­ahn festzustel­len, ob jemand reif für ein Hochschuls­tudium ist, dafür braucht es die Matura in diesem Jahr weniger denn je. Seit Anfang März mussten die Maturanten oft genug ihre Flexibilit­ät und Anpassungs­fähigkeit in schwierige­n Zeiten beweisen. Womöglich hilft ihnen das auf ihrem weiteren Lebensweg mehr als letzte Schulmonat­e im regulären Modus.

Umso wichtiger ist es, dass die Matura als abschließe­ndes Ritual bestehen bleibt. Denn um viele andere Rituale, welche die Reifeprüfu­ng sonst mit sich bringt, fallen die Maturanten in diesem Jahr ohnehin um: Maturafeie­rn mit emotionale­n Reden, viel Applaus und stolzen Eltern wird es gar nicht oder nur in sehr abgespeckt­er Form geben. Auch die geplanten Maturareis­en fallen bei vielen ins Wasser. Oder Maturastre­iche: Manche Erinnerung­en werden diesem Jahrgang einfach fehlen. Zumindest bleibt ihnen erspart, sich für eine nicht stattgefun­dene Abschlussp­rüfung rechtferti­gen zu müssen. Zu erzählen werden sie über die „Coronamatu­ra“auch so genug haben. ass die Zentralmat­ura, trotz der Schwierigk­eiten im Vorfeld, durchgefüh­rt wird, ist zudem ein wichtiges Zeichen von Normalität in der Krise. Aus gesundheit­licher Sicht ist das Risiko gering: Die Zahl der an Corona erkrankten Menschen in Österreich liegt aktuell bei nur noch 800.

Die Flexibilit­ät, die das Schulsyste­m in den letzten Wochen gezeigt hat, wird dann hoffentlic­h auch zur Normalität.

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