Er ging, doch er bleibt für immer
Trauer, Betroffenheit, ein Tag mit Trauerrand. Alfred Kolleritsch, eine der ganz großen
Lichtgestalten der österreichischen Gegenwartsliteratur, starb am Freitag im
Alter von 89 Jahren.
Eine Blume bleibt, eine Hand sucht die Geschichte der anderen. Die Zeit nimmt uns hin. Ihr einziger Anspruch.“So heißt es in einem Gedicht von Alfred Kolleritsch. „Jetzt hier“heißt es, und jetzt und hier ist es traurige Gewissheit geworden. Die Zeit nahm ihn hin, nach jahrelangem Kampf gegen schwere Krankheiten, aber er ertrug sie nicht nur, er tat, was ihn seit Jahrzehnten als Mensch und Vorbild auszeichnete – er leistete Widerstand.
Erst kürzlich veröffentlichte der „Fredi“, wie ihn all seine Freunde und Wegbegleiterinnen stets nur nannten, einen Gedichtband. Und er arbeitete unermüdlich an seinen Tagebüchern, die er möglichst bald veröffentlichen wollte. Das
bleibt unvollendet, gewichen ist es der Betroffenheit und den vielen wunderbaren, letztlich ein wenig tröstlichen Bildern der Erinnerung.
Alfred Kolleritsch war ein Monolith, nicht nur in der Literaturlandschaft, der häufig selbst um Sprache ringen musste. Vor allem in der Öffentlichkeit, vor allem, weil es ja in seinen stürmischen Anfangsjahren zahllose erbärmliche Versuche gab, ihn und Gleichgesinnte mundtot zu machen.
Sechs Jahrzehnte hatte er ganz maßgeblichen Anteil daran, dass auch im einstmals verkrusteten, dumpfen, bornierten und reaktionären „Kulturland“Österreich der Boden für zeitgenössische Literatur aufbereitet werden konnte. Viele Konflikte und Skandale standen am Beginn des Weges, speziell durch die von ihm seit 1960 herausgegebenen „manuskripte“, die in den Anfangsjahren immer wieder Rufe nach Zensur, sogar nach Beschlagnahmung auslösten. Abgesehen davon, dass damals das von ihm mitbegründete Forum Stadtpark in Graz als Ort des Bösen firmierte. Aber er und seine Dichterfreunde, von Peter Handke, Klaus Hoffer, Wolfgang Bauer bis zu Gerhard Roth, misstrauten dem angeblich gesunden Menschenverstand massiv, der herrschenden Moral noch mehr, daher waren sie weder imstande noch gewillt, lyrische Hausapotheken zu produzieren oder literarische Linderungsvorhaben salben zu verabreichen. Sie störten, sie störten auf, nach der Maxime: Wer geduckt steht, der will auch andere biegen. Die Pflicht zu einer Haltung gab Alfred Kolleritsch, als Mentor, Förderer, Entdecker neuer Talente, die kaum zählbar sind, in vielfacher Weise weiter.
Dichtern wie Kolleritsch, die mit dem denkbar flüchtigsten Material arbeiten, nämlich mit dem Wort, verdanken wir Werke von wunderbarer Beständigkeit und Dauer, die auch ein legendäres Wort von Hölderlin wieder als angebracht erscheinen lassen: „Was bleibet aber, stiften die
Frido Hütter