Hitlers Kampf mit den Mächten im Westen
Eine neue Biografie setzt einen Akzent für die Neubetrachtung des Diktators.
Die Faszination britischer Historiker für den Nationalsozialismus scheint unerschöpflich. Brendan Simms gehört zu jener Gattung Geschichtsforschern von der Insel, die sich mit der dunkelsten Stunde Deutschlands auseinandersetzt, in seinem Fall im europäischen Zusammenhang. So ist auch sein neues Buch über Adolf Hitler zu verstehen, den er in seinem eindrücklichen Werk als einen Mann beschreibt, der sich einschüchtern ließ und „der industriellen Stärke des britischen Empires und der Vereinigten Staaten bewusst“gewesen sei. Hitler habe sich nicht allein auf den Bolschewismus der Sowjetunion konzentriert, sondern auch auf die wirtschaftliche Attraktivität der beiden großen Westmächte. Er fokussierte dabei auf die Frage, warum so viele Deutsche im Jahrhundert davor das Glück in der Neuen Welt gesucht hatten und im Ersten Weltkrieg dann als Soldaten im Kampf gegen das Deutsche Reich zurückkehrten. Für Hitler sei das ein initiales Trauma gewesen, schreibt Simms. Dies sei auch der neue Aspekt an der Betrachtung des Diktators. Die Migrationsfrage sei bisher nicht ausreichend beleuchtet worden, behauptet der Brite, sie sei aber relevant für den Hass, den die Nationalsozialisten auf die USA und das Vereinigte Königreich entwickelten. Die Auswanderungsgeschichte der Deutschen, die sich gegen Deutschland richteten, sei ein neuer Blickwinkel auf die Bewertung von Hitlers Rassentheorie. Er wollte mit den Angelsachsen auf Augenhöhe sein. Daraus könne nach Worten von Simms auch eine Neubewertung des Judenhasses von Adolf Hitler entstehen. Sein Antisemitismus sei mitunter aus einem Konkurrenzdenken gegenüber den USA entsprungen. Denn dort sei der „Weltkapitalismus“angesiedelt und an dessen Machthebeln säßen schließlich die Juden. Gerade über diese These dürfte unter Historikern leidenschaftlich gestritten werden. Brendan Simms selbst sieht sich dabei nicht im Widerstreit mit anderen großen Biografien, das betont er gleich im Vorwort. Dennoch will er sein Werk als Anstoß sehen, Hitler neu zu bewerten. Ingo Hasewend
Brendan Simms: Hitler. Eine globale Biographie. Deutsche Verlagsanstalt, 1056 Seiten, 45,30 Euro.