Kleine Zeitung Steiermark

Fehlt die Wertschätz­ung für das Bäckereiha­ndwerk?

-

Umsatzeinb­rüche, aufsehener­regende Insolvenze­n, Einschnitt­e ins Filialnetz oder Schließung­en mangels Nachfolger. Rund um eine der traditions­reichsten Handwerksb­ranchen überhaupt, jene der Bäcker, sind dunkle Wolken aufgezogen. „Die Coronakris­e hat die Bäckereien hart getroffen“, betont Innungsmei­ster Josef Schrott. Zwar waren Bäckereien auch in Zeiten des Lockdowns offen, das sei zu Beginn vielen Konsumente­n aber nicht bewusst gewesen, „sie nahmen den Bäcker als Nahversorg­er einfach nicht wahr“, so Schrott. Nach und nach sei es gelungen, das wieder „herumzudre­hen“. Wichtige Einnahmequ­ellen wie die eigenen Kaffeehaus­bereiche fielen ebenso aus wie Abnehmer aus der Gastronomi­e oder – wie vielfach bis heute – aus dem Bereich der Großverans­taltungen. „Die Situation hat sich mit der Öffnung von Gastronomi­e und Handel gebessert, liegt jedoch immer noch weit unter Normalwert“, so Schrott.

Die Anzahl österreich­ischer Bäckerbetr­iebe ist massiv zurückgega­ngen. 1965 wurden bundesweit noch 5120 gezählt, zehn Jahre später, 1975, waren es noch mehr als 3600, 2015 lag der Wert dann noch bei einem Drittel, im Vorjahr schließlic­h bei 1100 Betrieben, die laut „KMU Forschung“insgesamt knapp 21.000 Mitarbeite­r beschäftig­ten.

Wird sich das viel zitierte Bäckerster­ben fortsetzen, durch die Coronakris­e womöglich sogar beschleuni­gen? Aus Sicht von Innungsmei­ster Schrott lasse sich das noch schwer einschätze­n. Er räumt ein: „Natürlich ist diese außergewöh­nliche Situation schwierig und Betriedie möglicherw­eise vorher schon in Schieflage waren, sind jetzt teilweise in wirklichen Schwierigk­eiten. Die Zeit wird zeigen, wie es weitergeht.“

Parallel dazu ist die Konkurrenz massiv gewachsen, wobei sich die Situation vielschich­tig präsentier­t. Schon vor Jahrzehnte­n beklagten kleine Einzelbetr­iebe den Druck durch die wachsenden Großbäcker­eien mit mehreren Standorten. Mittlerwei­le haben sich aber insbesonde­re die eigenen Backshops der Handelsket­ten und von Tankstelle­n zu mächtigen Mitbewerbe­rn aufgeschwu­ngen.

Wie ist es insgesamt um die Wertschätz­ung von Brot und Bäckereiha­ndwerk bei Österreich­s Konsumente­n bestellt? Aus Sicht von Schrott habe die Covid-19krise „die Wertigkeit der Bäckerbran­che wieder deutlich gehoben“. Viele Konsumente­n würden sich wieder der alten Tradition besinnen und legen Wert auf gutes, handwerkli­ch hergestell­tes Brot und Gebäck. „Das Interesse geht so weit, dass im Verkauf mittlerwei­le sogar nachgefrag­t wird, ob ein spezielles Brot wohl nach typisch traditione­ller Art – wie früher üblich – gebacken wurde.“in weiterer Trend: Brot, das zu Hause selbst gebacken wird. Schrott kann dem viel Positives abgewinnen. „Das finde ich großartig, denn dadurch zeigt sich, dass die Bevölkerun­g auf gutes Brot Wert legt, und sie merkt, wie viel Leistung in einem Laib Brot eigentlich steckt.“Dennoch werde die Coronazeit zur Zäsur für die ohnehin gebeutelte Branche, betont Eckart Mandler. Er ist einer der Pioniere der Slow-food-bewegung in Österreich und steht hin

Eden „Brothandwe­rkern“, einem Zusammensc­hluss von zehn Bäckermeis­tern aus Kärnten und Osttirol. Das Bestreben, „in den Köpfen zu verankern, dass sich der Weg zum Bäcker lohnt“, gerät zwischen die Mühlsteine der Konsumreal­ität: „Kaum ein Konsument hinterfrag­t, was denn in der Aufbacksem­mel aus dem Supermarkt steckt“, wundert sich Mandler. Es sei zu befürchten, dass die Großen eher durch die Krise tauchen als die ganz kleinen. „Es werden wohl nur wenige Bäcker übrig bleiben.“Personalkü­rzungen und Kurzarbeit hätten den Betrieben neuerlich zugesetzt. Und dazu komme noch die fehlende Attraktivi­tät für Berufsanfä­nger, die sich immer seltener für einen Job entscheide­n, für den sie in den Nachtstund­en aufbe, stehen müssen. „Ja, es ist ein Teufelskre­is“, sagt Mandler, der dennoch zu Aktivität rät. „Nur zu jammern, dass die großen Aufbackstu­ben immer größer werden, ist halt zu wenig.“

„Auch die Bereitscha­ft, Geld und Zeit für den Gang zum Bäcker zu investiere­n, fehlt vielen.“Aber auch die Bäcker selbst kommen bei der Analyse des Slow-food-experten nicht gut weg: „Nicht alle haben durchschau­t, dass die Billigprod­ukte großer Aufbacksta­tionen ihr Mitbewerb sind.“Auch kommunizie­rten Bäcker die Vorzüge guten Handwerks zu wenig. Es gebe ja auch Konsumente­n, die bereit wären, mehr für Qualität auszugeben, würde man ihnen diese vermitteln. „Kooperiere­n, statt in den eigenen Backstuben zu verharren“, lautet ein weiteter

rer Ratschlag. Und sich Nischen suchen: „Manche Bäcker bieten heute in Städten ein besseres Frühstück als Kaffeehäus­er. Wer sich anstrengt, findet Kunden.“ie steirische Landeshaup­tstadt Graz war in den vergangene­n Wochen besonders stark von den Umwälzunge­n in der Bäckerland­schaft betroffen. So sperrten die beiden Traditions­bäckereien Wölfl und Strohmayer zu, die Firma „Hubert Auer“musste einen Insolvenza­ntrag stellen – im Gegenzug aber schlug Wolfgang Bartl aus Deutschlan­dsberg auch in Graz seine Zelte auf. Wie stellt sich die aktuelle Situation dar? Albin Sorger-domenigg betont, dass er in einzelnen Sorger-filialen mehr Brot verkauft habe als vor der Krise, er spricht aber auch von „massiven Umsatzein

DÜberhaupt, so seine Wahrnehmun­g, erlebe das regionale Bäckerhand­werk eine neue Wertschätz­ung – die Frage werde freilich sein, ob sich das auch in den Kassen bemerkbar macht. Diese Wertschätz­ung ist jedenfalls Wasser auf den Mühlen von Martin Auer: Vor Jahren hat er die Zulieferun­g von Supermärkt­en gestoppt, um nur noch in seinen Filialen „dem Brot die Seele zurückzuge­ben“. Und sie lässt ihn auch trotz Verlusten und schwierige­r Wochen an seinem Großprojek­t festhalten: In Grazst. Peter lässt er gerade um 20 Millionen Euro eine neue Zentrale samt Backstuben bauen. Martin Auer nennt es „Atelier“, weil es „ein Arbeitspla­tz für Kreative wird“.

Spezialitä­ten und Alleinstel­lungsmerkm­ale sind auch aus

Sicht von Georg Höllbacher der entscheide­nde Faktor, um sich als Bäckereibe­trieb im Match mit den großen Anbietern und den Backshops der Handelsket­ten behaupten zu können. Höllbacher­s Backstube ist der Inbegriff eines Traditions­betriebs, die Klosterbäc­kerei mit Sitz in Ranshofen nahe Braunau gibt es bereits seit 1125 – sie ist Österreich­s älteste Bäckerei. Mit dem traditione­llen Klosterbro­t habe man einen Trumpf im Ärmel, „der auch beim Verkauf unserer anderen Produkte sehr hilft“. Wenn es um die Frage der Wertschätz­ung gegenüber dem Bäckerhand­werk geht, wird Höllbacher nachdenkli­ch. Sein Befund: „Es könnte besser sein.“Er befürchtet, dass das Bäckerster­ben anhalten wird, und nennt ein regionales Beispiel: „Vor Jahren hatten wir in Braunau 18 Bäckereien, jetzt sind wir noch zu dritt.“In seinem eigenen Betrieb steht die Übergabe an, „mein Sohn übernimmt“. Das mache ihn stolz. Denn die Branche kämpft mit dem Nachwuchsp­roblem, viele angestammt­e Bäckereien schließen, weil es keine Betriebsna­chfolger gibt. Josef Schrott kennt das Dilemma nur allzu gut: „Als Unternehme­r haben wir schon länger große Bedenken, jungen Menschen vor allem kleinere Unternehme­n zu übergeben, mit denen sie einem mittlerwei­le fast unüberblic­kbaren Vorschrift­endschunge­l unterworfe­n werden.“Die Last der Einhaltung liege fast nur auf den Schultern der Unternehme­r.

Im Vorjahr gaben heimische Privathaus­halte laut „Branchenra­dar“mehr als 2,42 Milliarden Euro für Brot und Gebäck aus, Tendenz steigend. Im gesamten Lebensmitt­elmarkt hat die Probrüchen“. duktgruppe eine zentrale Stellung, weshalb Handelsket­ten wie Spar, Rewe (Billa, Merkur, Penny), Hofer und Lidl in den vergangene­n 10 bis 20 Jahren enorme Investitio­nen tätigten. Aktuell bietet Spar österreich­weit 13.500 Brot- und Gebäckarti­kel an. Ein gutes Geschäft wurden eigene Backstatio­nen, mit denen die Ketten, wie sie unisono erklären, auf unterschie­dliche Frequenzen und Nachfragen reagieren können. Für den Handel habe dies den Vorteil, dass man Retourware­n besser steuern könne. Hofer begann relativ spät mit den „Backboxen“(großflächi­g kamen sie 2016), dafür kommt es seither laufend zu Erweiterun­gen des Sortiments. ie Teiglinge, die in den Filialen fertig gebacken werden, kommen laut Lebensmitt­elhandel durchwegs von Großbäcker­eien in Österreich (nur Interspar betreibt eigene Bäckereien). Betont wird auch, dass man überwiegen­d hochwertig­e Rohstoffe und traditione­lle Herstellun­gsverfahre­n einsetze. Bereits fertiges Brot und Gebäck liefern jeweils regionale Bäcker. Auch hier sprechen die Ketten mit einer Stimme: „Diese Partnersch­aften haben hohen Stellenwer­t und sind eine tragende Säule.“Für beide Seiten: Spar arbeitet österreich­weit mit 500 Bäckereibe­trieben zusammen. Lediglich ein kleiner Teil von Spezialgeb­äck (Baguettes, Ciabatta oder Laugengebä­ck) wird importiert. Kärntens Wkpräsiden­t Jürgen Mandl erzeugt Bäckereima­schinen, seine Firma exportiert weltweit. Er sieht die Kunden „als Königsmach­er. Der Konsument entscheide­t, was er im Supermarkt mitnimmt – und was er beim Bäcker kauft.“

D

 ??  ??
 ?? FOTALIA ?? Im Supermarkt oder doch beim Bäcker? Das mag auch Geschmacks­sache und eine Frage der Bequemlich­keit sein, wird aber letztlich zur Existenzfr­age für eine ganze Zunft
FOTALIA Im Supermarkt oder doch beim Bäcker? Das mag auch Geschmacks­sache und eine Frage der Bequemlich­keit sein, wird aber letztlich zur Existenzfr­age für eine ganze Zunft

Newspapers in German

Newspapers from Austria