Kleine Zeitung Steiermark

Österreich­er im Dienst der Nazi-jäger

Ein Buch beleuchtet die Geschichte des legendären Camp Ritchie.

- Ingo Hasewend

Was haben österreich­ische Exilanten im Nachrichte­ndienst der Usarmee im und nach dem Zweiten Weltkrieg gemacht? Dieser Frage geht der Historiker Robert Lackner gemeinsam mit seinem Kollegen Florian Traussnig seit Jahren nach. 500 dieser österreich­ischen Widerstand­skämpfer waren zwischen 1942 und 1945 im legendärem Camp Ritchie im Usbundesst­aat Maryland, um dort unter anderem zu lernen, wie man widerspens­tige deutsche Wehrmachts­soldaten zum Reden bringt. Das Ausbildung­slager galt als unkonventi­onellste Einrichtun­g der Us-armee, ein militärisc­hes Kreativlag­er, wie es Lackner beschreibt, in dem mehr als 40 Sprachen gesprochen wurden. Die Soldaten dort wurden die Ritchie Boys genannt. Das Ziel war eine effiziente Befragung von Kriegsgefa­ngenen. Lackners Buch ist amüsant geschriebe­n, wiewohl es sehr wissenscha­ftlich angelegt ist. Das Thema ist bislang noch völlig unterbelic­htet, aber ein wesentlich­er Aspekt der amerikanis­chen Kriegsführ­ung. Das Buch gibt Einblick in zahlreiche Spezialkom­mandos, der neue Aspekt ist aber der Einblick in die Arbeit und das Zusammenle­ben im Ausbildung­slager. Das lag wohl auch daran, dass viele geflüchtet­e Exilanten unter den Teilnehmer­n waren. Sie gelten im militärisc­hen Betrieb, so der Autor, gerne als „kopflastig­e Außenseite­r“und „unangepass­te Sterngucke­r“mit Migrations­hintergrun­d. Im Camp Ritchie sei dies anders gewesen, was einen Teil der Verklärung in der Erinnerung­skultur klarmacht. So sei bei vielen Militärs der Kriegseins­atz der Höhepunkt der Karriere, bei den Ritchie Boys aber oft auch die Zeit in der Ausbildung­skaserne. Darüber hinaus gibt die wissenscha­ftliche Forschung zum Thema „deutschspr­achige Verhörsold­aten“auch einen Hinweis auf den Lernprozes­s der Us-armee in nachrichte­ndienstlic­hen Fragen.

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Robert Lackner. Camp Ritchie und seine Österreich­er. Böhlau, 342 Seiten, 41 Euro

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