„Die Freude am Leben fällt dir nicht schwer“
Gestatten, Planktothrix rubescens. Aus dem Griechischen abgeleitet: ein im Wasser umherirrendes rötliches Haar. Zu Deutsch: Burgunderblutalge. Diese Algenart ist schuld daran, dass der Wörthersee so – ... an dieser Stelle bitte Ihr gewünschtes Adjektiv à la wundervoll, pittoresk, großartig, surreal, etc. einsetzen ... – ist.
Je wärmer die Temperaturen werden, desto tiefer zieht sich diese Planktothrix rubescens zurück in den See. In zehn bis 15 Meter Tiefe verharrt sie dann. Dort fühlt sie sich wohl und kann Nährstoffe aufnehmen, die durch die Zirkulationen im Wasser so daherkommen. „Deshalb ist der See im Sommer so schön und klar“, sagt Roswitha Fresner. Und sie muss es wissen. Jedes Jahr untersucht Fresner mit dem Institut für Seenforschung mehr als 40 Kärntner Seen. Für sie steht fest: „Der Wörthersee ist etwas Besonderes.“Damit wäre irgendwie schon ein wissenschaftlicher Beweis erbracht für die Faszination des 19,39 Quadratkilometer großen Binnengewässers.
Dieses muss so einige Kosenamen über sich ergehen lassen: größte Badewanne der Alpen, Riviera Österreichs oder gar Karibik der Alpen. Wegen der Farbe des Wassers – die einen meinen der See sei türkis, die anderen smaragdgrün – wäre es gewesen. Expertin Fresner kann auch das erklären: Verantwortlich sind Kalkkristalle, die durch die Sauerstoffproduktion der Algen und Unterwasserpflanzen gen Boden sinken. Diese Teilchen verfärben die Sedimente im Uferbereich hellgrau. Und durch die Reflexion des
Der Sehnsuchtsort Wörthersee feiert eine Renaissance – weil er bezaubernd und berauschend ist.
Eine Ode mit Zwischentönen.
Lichtes schimmert der See in grünblauen Tönen. enug des Exkurses. Bietet sich der See so vor einem dar, kann man ihn eigentlich nicht nicht formidabel finden. Obwohl er eine „verbarrikadierte Schönheit“ist, wie der Autor Egyd Gstättner einmal schrieb. Der Blick auf meterhohe Zäune, Hecken, Kameras, Alarmsysteme mit Scheinwerfern bei den protzigen Villen rund um den See gibt ihm recht. Namedropping
Ggefällig? Ingrid Flick, Heidi Horten, Ferdinand Piëch, Karlheinz Grasser, Siegfried Wolf, Gaston Glock, Thomas Muster, Otto Retzer etc. residieren hier. An dieser Stelle ließe sich eine treffliche Neid- und Kapitalismusdebatte führen. Oder eine Diskussion über die fragwürdigen architektonischen Werke, die in den letzten Jahren in Seenähe errichtet wurden. Oder ein Lamento über den geringen Anteil öffentlich zugänglicher Uferflächen. Letztlich
verschwendete Energie. Denn trotz dieser Einwände gibt es viele Gründe, sich in den Wörthersee zu verlieben. er Blick vom Lorettospitz bei der morgendlichen Laufrunde. Der Sonnenuntergang auf der Mittelbrücke im Strandbad. Auf dem Stand-up-paddel-brett oder mit kräftigen Kraulzügen der Sonne entgegengleiten. Mit Elektroboot und Picknickkorb vor der Halbinsel Walterskirchen vor Anker gehen. Ein Glas Wein auf einer Seeterrasse. Auf dem Schamandra-steg den Wind in den Haaren spüren und in Erinnerungen schwelgen. Oder meditativ dem sanft hinund herwogenden Schilfgras folgen. Gelassen wie der Gemütszustand der Menschen, die hier verweilen. Der Blick von oben aus unterschiedlichen Perspektiven: Zillhöhe, Pirkerkogel, Hohe Gloriette, Pyramidenkogel. Selbst die Aussicht von der Autobahnraststätte beeindruckt. Allerortens omnipräsente Instagramability!
Wie es ist, ganz mondän mit dem Motorboot zu den feinsten kulinarischen Adressen zu düsen, müssen Sie die (sehr) Reichen und (oft weniger) Schönen
DRegisseur
fragen. Wer direkt am Wasser diniert, zahlt den Seeblick mit Handkuss mit.
Manch unberührtes Kleinod lässt sich auch in einem Hort des Massentourismus finden. Wirkliche Wörthersee-aficionados brauchen Velden gar nicht. Wobei Promenade, Flaniermeile und Blick auf die Bucht schon auch ganz nice sind, wie man heute sagt. Und natürlich das legendäre Schloss am Wörthersee, am wunderschönen Wörthersee. „Wo alle
Menschen Freunde sind. Und Rosen blüh’n im Sommerwind“, intonierte ein gewisser Ralf Christian das Titellied (von Rudolf Müssig und Franco Andolfo) der 90er-kultserie, die international bieder als „Lakeside Hotel“vermarktet wurde. Weiter im Takt: „Tiefblauer Himmel, am Strand das Café. Kieselsteinwege, glitzernder See. Der Zauber der Berge und Täler umher, die Freude am Leben fällt dir nicht schwer.“as soll man dieser Sternstunde des Songwriting noch hinzufügen? Vielleicht das hier: „Man komponiert nicht, man wird komponiert von der Schönheit und Größe der umgebenden Natur.“So überliefert von Gustav Mahler, der sich im Wald oberhalb des Südufers sein „Komponierhäusl“errichten ließ. Oder um es mit dem Kollegen Johannes Brahms zu sagen: „Der Wörthersee ist ein jungfräulicher Boden, da fliegen die Melodien, dass man sich hüten muss, keine zu treten.“
Im Coronajahr verstärkt sich die Renaissance des Sees, die sich seit Jahren abzeichnet. Die Gründe für Touristen und Investoren:
W„Wasserqualität, Lokale und Geschäfte, Sicherheit, intakte Natur, Nähe zu Klagenfurt, Villach und Italien“, sagt Immobilienmakler Günther Seidl, der seit 20 Jahren Wörthersee-immobilien verkauft. Die Preise sind längst bar jeder Vernunft: Seeliegenschaften (800 bis 1200 Quadratmeter), so sie denn überhaupt auf den Markt kommen, kosten mittlerweile 5 bis 6 Millionen Euro. Dann doch lieber abtauchen zur Planktothrix rubescens.