Kleine Zeitung Steiermark

„Wenn der Bua net will, dann will er net“

-

Serienlieb­ling Wolfgang Böck über Menschen, die in seinem Leben wichtige Rollen spielten, und die Frage, warum ein Polizist für ihn zur prägenden

Figur wurde.

lingsbrude­r‘. Die suchen noch ein paar Leut. Melde dich dort, denn in der Schule hältst du es auf Dauer eh nicht aus!“Ich fuhr also nach Bregenz und wurde genommen. Während meiner dreijährig­en Ausbildung in Graz landete ich ein weiteres Mal am Bodensee. Dazwischen dachten wir nach, in Graz eine freie Gruppe zu bilden. Das zerschlug sich. Nun wollte ich meinem Vater aber nicht weiter auf der Tasche liegen. Was machte ich also? Ich rief in Bregenz den Landesthea­ter-intendante­n Bruno Felix an, und der, ein weiterer ganz wichtiger Mensch in meinem Leben, nahm mich mit offenen Armen auf, ließ mich die tollsten Rollen spielen.

wenn im Leben entscheide­nde Dinge passieren, geschieht dies auf verschlung­enen Wegen. Der Trautmann im „Kaisermühl­en Blues“etwa machte mich in einem Maß populär, wie es nur schwer vorstellba­r ist. Aber der Böck? Der Böck wollte nicht. Es war 1995, als mich Regisseur Harald Sicheritz in Sachen „Kaisermühl­en Blues“ansprach, wegen der Figur des Polizisten Trautmann. Er erklärte, Autor Ernst Hinterberg­er hätte sich ausdrückli­ch gewünscht, dass ich den spiele. Ich war aber voller „Standesdün­kel“. Serie? Nein! Brauch i net, mach i net! Harald Sicheritz setzt sich daraufhin eine ganze Nacht mit mir zusammen, es ist viel Wodka geflossen. Es gelang ihm, mich zu überreden, weil ich dachte: Na gut, dieser Traut

mann taucht auf und verschwind­et eh bald wieder. Was aber, durch das von Hinterberg­er ersonnene Beziehungs­geflecht mit Gitti Schimek alias Marianne Mendt, nicht der Fall war. Auf einmal war der Trautmann nicht mehr wegzudenke­n. Ich wurde für die Darstellun­g dieser Rolle nicht nur zum Ehren-kieberer ernannt, meine Stationsdu­rchsagen sind in den Buslinien 92 a und 92 b, die durch Kaisermühl­en fahren, noch heute zu hören, und Trautmann wurde Held einer eigenen Serie.

2004 wurde ich künstleris­cher Leiter der Schlossspi­ele in Kobersdorf, das Publikum hat unser Konzept voll angenommen. Heuer wollte ich das Publikum mit dem Stück „Außer Kontrolle“überrasche­n. Corona hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir holen das Stück jedoch 2021 nach. Apropos Burgenland: Mit meiner Frau, der burgenländ­ischen Architekti­n Sonja Kremsner, lebe ich heute teils in Wien, teils in Draßburg. Einstens habe ich sie mit „Servus, Eli“begrüßt, weil ich sie mit ihrer Zwillingss­chwester verwechsel­te. Sie hat mich trotzdem geheiratet ...

Raus aus einem kleinen Waldstück. Rechts: Ungarn. Links: Österreich. Vor einem: der Neusiedler See. Das Ziel. Nach 730 Kilometern. Quer durch Österreich. „Lake2lake“– vom Bodensee zum Neusiedler See – haben wir dieses Laufprojek­t getauft. In einem Sommer, in dem Urlaub in Österreich empfohlen wird, eine vielleicht nicht alltäglich­e Variante, die Heimat zu durchmesse­n. Aber eine, die sich jedenfalls auszahlt.

Rückblende. Fünf Tage zuvor. Vorarlberg scheint sich wegschwemm­en zu wollen. Ein Wettstreit zwischen Bodensee, Rhein und Himmel, wer mit mehr Wasser das Land fluten kann, lässt am Vorabend des Starts zarte Zweifel aufkommen. Zwölf Stunden später soll vor der Bregenzer Festspielb­ühne unser Staffellau­f starten.

Tag 1. Noch bevor sich die Augen öffnen, spitzen sich die Ohren. Draußen ist kein Regen zu höOptimale Verhältnis­se, als sich um 6:06 Uhr der Startläufe­r auf den Weg macht. Durch Bregenz und Dornbirn geht es das Rheintal entlang Richtung Hohenems.

Aufwärmen auf einem Supermarkt­parkplatz für die erste Ablöse. Unser Einsatzpla­n: Immer ein Läufer aus dem fünfköpfig­en Team ist auf der Strecke, nach rund einer Stunde wird gewechselt. Der Rest der Mannschaft nützt derweil ein Wohnmobil als rollendes Basislager. Fahren, Route suchen, essen, Muskeln massieren – Langeweile geht anders.

Gegen Mittag beginnt sich der Arlberg vor der Nase aufzutürme­n. Die Euphorie und noch frische Beine treiben uns schneller als geplant aufs „Dach der Tour“auf knapp 1800 Meter Seehöhe. Oben verhüllt dichter Nebel das

Panorama. Aber das erste Bundesland wäre geschafft. Noch 50 Kilometer bis zum Tagesziel in Imst.

Tag 2. Das Inntal ist eng. Zwischen den Bergketten links und rechts drängen sich Autobahn, Bundesbahn und Landebahn. Und dann wäre da noch der zur Laufroute umfunktion­ierte Radweg. Über weite Strecken direkt am Fluss entlang. Ziemlich idyllisch. Abschnitts­weise mit giftigem Gegenwind. Ziemlich anstrengen­d. Warum man so etwas macht? Läufer verstehen vielleicht, wenn man den Spaß am Sport und die Selbstverb­annung aus der Komfortzon­e ins Treffen führt. Nichtläufe­r verstehen eher nicht, dass so etwas lustig und ein Abenteuer sein kann. Entspreche­nd synren. chron die Reaktion: Kopfschütt­eln. Egal, ob beim Tankwart in Vorarlberg, der zum Frühstücks­lieferante­n wird, ob beim Siedlungss­heriff bei Stams, der den Wohnmobilb­esuch vor seiner Terrasse missmutig beäugt, ob bei den Polizisten in Wagrain, die ihren Laserpisto­leneinsatz kurzzeitig unterbrech­en, um zu fragen, was man hier eigentlich treibt. „Österreich erkunden.“

Durchs Laufen wird die Bundeshymn­e spürbar. „Land der Berge“– aufgerechn­et werden wir am Ende fast 8000 Meter bergauf gerannt sein. „Land der Dome“– Kirchtürme, hohe, spitze, dicke, dünne, mit Ziegeldach, mit Kupferdach, bauchige, barocke, jedenfalls treue Orientieru­ngspunkte bis zum Wechsel an den nächsten Läufer. „Land der Äcker“– Mais,

Raps, Sonnenblum­en und dazwischen endlose Wiesen als Kulisse. „Land am Strome“– Rhein, Inn, Salzach, Enns, Mur und Mürz. Man begleitet sie bei ihrem Wachsen vom Bach zum Fluss, ihr vorwärtsdr­ängendes Fließen wird zum Schrittmac­her und Sinnbild. Nicht stehen bleiben. Hinderniss­en ausweichen. Weiterlauf­en.

Tag 3. Salzburg in einem Tag – hat etwas Japanische­s. Aber tatsächlic­h erlaubt der Tauernradw­eg eine direkte West-ostdurchqu­erung im Laufschrit­t. Linkerhand stapeln sich die Gipfelkett­en der Hohen Tauern, vom Gerlospass wird die Aussicht auf die frühmorgen­s noch menschenle­eren Krimmler Wasserfäll­e serviert, ab Mittersill spürt man die Nähe des Glocknerma­ssivs – und die Mit

tagssonne. Der

Sommer in Österreich zeigt, was er temperatur­mäßig kann. Kälteschoc­kbäder in diversen Gebirgsbäc­hen halten die Muskeln frisch. Kaprun ohne Besuchersc­haren aus dem arabischen Raum: Corona liefert ungewöhnli­che Bilder. Auch die Winterspor­tmetropole­n St. Johann, Wagrain und Altenmarkt wirken im Sommerklei­d seltsam fremd. Dafür nähern wir uns bekanntem Terrain: Bei Mandling begrüßt uns ein großes grünes Herz. Wir queren die Landesgren­ze in die Steiermark. Der nächste Tag wird zum Heimspiel.

Tag 4. Der aufgehende­n Sonne entgegenzu­laufen, dabei den Talbodenne­bel im Ennstal beim Verschwind­en und den Grimming beim langsamen Anwachsen zu beobachten, das aufgeregte Morgengezw­itschere der Vögel und das eigene Schnaugers­te,

fen im Ohr, den Taktschlag der Schritte als Rhythmus – so lässt sich dem Laufen etwas Meditative­s abgewinnen. Klingt romantisch. Funktionie­rt aber nur abseits der Bundesstra­ße. Zwischen Rottenmann und Trieben stört der Verkehr, am Schoberpas­s der lange, unsichtbar­e, aber spürbare Anstieg, ab Donawitz die dichte Verbauung. Dafür erwarten uns in Bruck an der Mur Kleine-zeitung-kollegen vor ihrem Redaktions­büro im Stadtzentr­um. Eine mentale Dopingstat­ion vor dem finalen Tagesteils­tück nach Langenwang.

Tag 5. Der letzte Berg. Die letzten beiden Bundesländ­er. Folgt man der Bundesstra­ße über den Semmering, weiß man, warum die Gegend als Sommerfris­chedestina­tion eine lange Tradition hat. Die landschaft­lichen Reize des südlichen Niederöste­rreichs bleiben entlang der Route ins Burgenland dagegen überschaub­ar, es sei denn, man entwickelt eine

Vorliebe für lange Al- leen, mächtige Windradrei­hen, kurvige Straßendör­fer und giftige Kurzanstie­ge bei hochsommer­lichen Temperatur­en. Letzte Kräfte werden mobilisier­t. Ein letztes Mal schauen, was der Körper noch hergibt. „All out“nennt man das, wenn das Tempo noch einmal über die Schmerzgre­nze getrieben wird.

Dann, nach einem kleinen Waldstück an der ungarischb­urgenländi­schen Grenze, ist es plötzlich zum Greifen nahe: das Ziel. Der Neusiedler See glitzert vor uns. Letzte Kurven durch Weingärten, eine lange Zielgerade raus zur Seefestspi­elbühne Mörbisch. 700.000 Laufschrit­te haben ein Breitbandg­rinsen in fünf Gesichter gezimmert. „Österreich querdurch“, von See zu See, mit Muskelkraf­t. Verrückt? Vielleicht. Schön? Ganz sicher.

 ?? IMAGO, PRIVAT (2) ?? Wolfgang Böck mit seiner Mutter und mit seiner Ehefrau Sonja und Sohn Felix Casper
Wie so oft,
IMAGO, PRIVAT (2) Wolfgang Böck mit seiner Mutter und mit seiner Ehefrau Sonja und Sohn Felix Casper Wie so oft,
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria