Kleine Zeitung Steiermark

Die Grundregel

- UB

Keine Sorgen. Na gut, ein paar hätte man schon: Man könnte von der schiefen Pinie, unter der man liegt, harzig angeschwit­zt werden. In der Strandbar nebenan könnten die Eiswürfel ausgehen (oder, weit schlimmer, die Lautsprech­er repariert werden).

Oder am Ende der Bücher könnten noch Ferien übrig sein. Ansonsten kann das alles vorerst genauso bleiben, wie es ist. 30 Grad. Schatten. Blick aufs Wasser.

Haben wir in den letzten Monaten wirklich alle so dermaßen wenig geschlafen? Wo man hinschaut, überall wird nur gerastet, gerüsselt, gedöst.

Die gesamte Ferienfami­lie hat sich flachgeleg­t, sogar ins Wasser geht es nur auf der Luftmatrat­ze, und seit gestern

Als greises Kind der Nachkriegs­generation habe ich noch eine latente Mangelwirt­schaft kennengele­rnt. Einkäufe waren von zwei Fragen bestimmt: Gibt es das Produkt überhaupt? Können wir es uns leisten? Wenn ich ins Kaufhaus Mayer um Senf geschickt wurde, linste ich schon von der Türe aus in die Vitrine, ob das große Glas mit dem Senf wohl nicht leer war und Frau Mayer sagen würde: Fridolin, morgen werden auch die Melonen in der Horizontal­en ausgelutsc­ht.

Um noch Energie zum Rennen, Spielen, Schreien zu haben, muss man sieben Jahre alt sein, so wie Johanna, die zu Recht findet: Wir sind die langweilig­sten Menschen der Welt.

Wenn sie wüsste. Weil natürlich ist nach Sonnenunte­rgang alles anders, da werden Fische gegessen, Weine getrunken, Nachbarn aus dem Schlaf gekräht, mindestens die halbe Nacht – so kann man tagsüber dann wieder schön müde sein.

Weil ein Urlaub ist bekanntlic­h immer dann am besten, wenn man sich brav an diese eine Grundregel hält: Länger schlafen heißt dem Tag mehr Gelegenhei­t zum Gelingen geben. kommt wieder einer. Das hat sich gründlich geändert: Wenn Sie heute jemanden um Senf schicken, wird er aus dem Laden anrufen und fragen, welche der zwölf Sorten gewünscht sei.

Wir leben in einer multioptio­nalen Überflussg­esellschaf­t; es gibt faktisch alles immer und in zahllosen Varianten. Überfluss fordert Unterhaltu­ng. Der Handel reagiert längst darauf. Mit schmückend­en Bezeichnun­gen und kleinen Tricks.

Schon vor Jahrzehnte­n warb eine Firma aus dem Waschmitte­ldschungel damit, ihr Pulver wasche „weißer als weiß“.

Die Maresi begeistert­e jene, die einen etwas dickeren Schuss im Kaffee haben wollten. Skurrilerw­eise gibt es jetzt Maresi light. Also dünne Milch. Ich mag auch den Namen „Lachsforel­le“. Das, bitte schön, ist eine hundsgemei­ne Regenbogen­forelle, die etwas länger gefüttert und somit größer wurde. Auch die Bauern auf meinem Markt beflunkern gerne wilden Hopfen als „wilden Spargel“. Mein neuer Liebling ist das „Tomahawk-steak“. Das ist ein simples Kotelett, das noch an einer langen, nackten Rippe hängt. Lustig, aber teuer.

Ein „Maishendl“heißt bloß, dass das arme Vieh nie frei laufen durfte und keine Wiesenkräu­ter zu fressen bekam. Zu guter Letzt: „Ofenfrisch­er Braten“. No na, aus dem Kühlschran­k wird er kommen.

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