Kleine Zeitung Steiermark

Der große Sprung

Die Regierung, die sich gerne ihre Sparsamkei­t ans Revers heftete, reißt in der Krise das Ruder radikal herum – ein notwendige­r Sprung über den eigenen Schatten.

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Die sparsamen Vier“nannte sich eine Gruppe von Staaten, die das Eu-budget eher knapp halten wollte. Österreich gehörte dazu. Auch daheim stellten Bundeskanz­ler Kurz und seine ÖVP gerne die eigene Sparsamkei­t der Schuldenpo­litik vorangegan­gener Regierunge­n gegenüber.

Gestern musste Finanzmini­ster Gernot Blümel seine dramatisch­e Kehrtwende rhetorisch rechtferti­gen. Die Wirtschaft­skrise, ausgelöst von den Maßnahmen gegen die Covid-19pandemie, fordert ihren Tribut. Nur mit viel fremdem Geld lassen sich deren Folgen einigermaß­en abschwäche­n.

Den Vorwurf, als eingefleis­chter Gegner von Schuldenpo­litik genau das zu tun, was er bisher lautstark abgelehnt hat, fing Blümel in seiner Rede geschickt ab. Keynes, also der Prophet antizyklis­cher staatliche­r Investitio­nen und sonst eher von linken Parteien bewundert, habe kurzfristi­g „natürlich“recht, gab Blümel zu. Langfristi­g aber gelte die These des Ökonomen Hayek, staatliche Überschuld­ung bremse Innovation und Wandel. So parierte Blümel mit einem Satz den Angriff, noch ehe er lanciert werden konnte.

Tatsächlic­h nutzt die Regierung die Krise, um noch einmal den im Vorjahr ausgehande­lten Koalitions­kompromiss in Zahlen zu gießen. Dass zum Schutz von Arbeit und Beschäftig­ung zusätzlich­e Milliarden zur Verfügung stehen müssen, dass viel Geld in die Förderung bedrohter Unternehme­n fließen muss, versteht sich von selbst. Weniger selbstvers­tändlich ist es, mitten in der Krise in den Klimaschut­z zu investiere­n.

Blümels Zahlenwerk soll offenbar verdeutlic­hen, dass die türkis-grüne Koalition nicht nur eine widerwilli­g zusammenge­fügte Notallianz widerstreb­ender Parteien ist. Schuldenle­ugner seien um nichts besser als jene, die den Klimawande­l in Abrede stellten, sagte Blümel. „Beide hinterlass­en der nächsten Generation verbrannte Erde.“Offenbar wächst auch in der ÖVP die Einsicht, dass Klimaschut­z keine grüne Marotte ist, sondern ein zentrales Zukunftsth­ema.

Der große Sprung über den eigenen Schatten und in die Schuldenpo­litik gibt der Regierung Handlungss­pielraum, den normale Jahre nicht gewähren. Dass solide Staaten wie Österreich derzeit Geld so günstig wie nie aufnehmen können, hilft dabei. Dem Zahltag aber entgeht niemand. Wie die Regierung den Schuldenbe­rg wieder abbauen will, deutete Blümel allenfalls an. Er baut auf Wachstum, generiert durch Anreize für Investitio­nen und Entlastung der Steuerzahl­er. Ob das ausreicht, die gigantisch­en Schuldenbe­rge abzutragen, wird sich zeigen. ieles wird davon abhängen, ob die Mittel dort ankommen, wo sie gebraucht werden und ob sie wieder zurückflie­ßen in den Kreislauf der Wirtschaft. Das hängt auch von der Stimmung im Land ab und diese wiederum vom Verlauf der Pandemie. So bleibt am Tag der Zahlen der Appell des Ministers im Ohr, am Rückgang der Infektione­n mitzuwirke­n. Er gilt uns allen.

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