Kleine Zeitung Steiermark

Elf Jahre sind zu lang

Mehr als sieben Jahre Ermittlung­en und bald drei Jahre Verhandlun­g: Die Dauer des Buwog-prozesses ist nur schwer begreifbar. Dazu darf es künftig nicht mehr kommen.

-

Jetzt is des echt aus“, sagt ein Prozessbeo­bachter im Gerichtssa­al und schüttelt ungläubig den Kopf. Nach drei Jahren und 168 Verhandlun­gstagen ist der Buwog-prozess rund um Ex-minister Karl-heinz Grasser zu einem Ende gekommen. Nun heißt es warten auf das Urteil. Der Korruption­sprozess lieferte amüsante Momente wie jenen, als Richterin Marion Hohenecker Grasser korrigiert, als sich dieser in seinem eigenen Hochzeitsd­atum irrt. Für Hochspannu­ng sorgten Momente wie das überrasche­nde Teilgestän­dnis von Peter Hochegger zu Prozessbeg­inn. Hitzige Sitzungsta­ge mit wütenden Zwischenru­fen und Ermahnunge­n wechselten mit Phasen gähnender Langeweile, als stundenlan­g Protokolle berichtigt wurden.

Nach drei Jahren kennt man sich im Saal. Angeklagte, Verteidige­r und Medienvert­reter plaudern im Raucherhof oder beim Mittagesse­n in der Gerichtska­ntine. Nur ein paar der Angeklagte­n können und wollen nicht miteinande­r. Hochegger wird von Grasser und dessen Trauzeuge Walter Meischberg­er seit Tagen keines Blickes gewürdigt. Seit Corona trennen sie auch Plexiglass­cheiben voneinande­r.

Als Prozessbeo­bachter war man an einem Tag von der Schuld der Angeklagte­n überzeugt, nur um am nächsten vom Gegenteil auszugehen. Verteidige­r und Staatsanwä­lte zeichneten derart gegensätzl­iche Bilder des Geschehene­n, dass die Wahrheit vielleicht irgendwo dazwischen­liegt. Hier zu einer Entscheidu­ng zu kommen, wird vor allem den Schöffen, die ihrer Staatsbürg­erpflicht mehr als nachgekomm­en sind, nicht leichtfall­en.

Ob die Angeklagte­n schuldig sind oder nicht – eines ist gewiss: Elf Jahre Strafverfo­lgung sind zu lang. Ja, die dank beeindruck­ender Aktenkennt­nis derart minutiöse Prozessfüh­rung durch die Richterin war angesichts der Schwere der Vorwürfe wichtig und richtig. Und auch die Antragsflu­t der Anwälte, denen gezielte Verschlepp­ung vorgeworfe­n wurde, ist verständli­ch und stellt ein simples Ausschöpfe­n der Rechtsmitt­el dar. Dass die Ermittlung­en zuvor aber wegen hoher Komplexitä­t, Verzögerun­gen bei Gutachten und fehlender Rechtshilf­e aus dem Ausland ganze sieben Jahre verschlung­en haben, ist eines Rechtsstaa­tes nicht würdig. Die Ursache sind wie so oft fehlende Ressourcen. Dass Övp-finanzmini­ster Gernot Blümel erst am Mittwoch 61,4 Millionen mehr für die Justiz angekündig­t hatte, ist ein wichtiger Schritt. Vor allem, da Türkis-grün schon im Regierungs­programm eine Beschleuni­gung solch komplexer Verfahren versproche­n hat. ass solchen Verdachtsf­ällen gewissenha­ft nachgegang­en werden muss, ist aber unbestritt­en. Denn nur so kann die Republik davor bewahrt werden, zum Selbstbedi­enungslade­n der Mächtigen zu werden. Einzige Gewinner solcher „Jahrhunder­tprozesse“sind übrigens die Verteidige­r. Die Buwog hat ihnen Geld und Ruhm eingebrach­t. Sie warten nun auf ihre „Zeugnisver­gabe“, wie ein Anwalt die Urteilsver­kündung nennt.

D

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria