Kleine Zeitung Steiermark

Das Idyll, es ist immer trügerisch

- Ein Landschaft­sbild

Gerhard Richter wurde neuerlich zum wichtigste­n Künstler der Welt gekürt.

In Wien kann man sich seinem künstleris­chen Kosmos über seine

Landschaft­sbilder nähern.

großes Werk nach eigener Aussage wohl die drei großen Kirchenfen­ster für das Kloster Tholey im Saarland sind.

Richter und die Landschaft also, das war nie nur eine Abbildung, ein Einfangen von Landschaft, ein Versuch der Konservier­ung. Ganz im Gegenteil, Richter hat sich zeit seines Lebens an der Landschaft als Sehnsuchts­ort des Menschen abgearbeit­et, bisweilen zwingt er den Betrachter in den dritten

Blick. Heißt: Richter selbst malt seit Ende der 1960er-jahre unter anderem vom Foto ab und überlagert es mit einer Unschärfe.

wird so vielmehr zum Bilderräts­el: Es geht nicht so sehr darum, was man sieht, als darum, was man nicht sieht. Jahrzehnte später, in einer Zeit, die mit Millionen Pixel und gestochen scharfen Bildern um sich wirft, wirken diese Gemälde geradezu visionär. Schon

1972 hat er mit viel Weitblick das Idyll entlarvt, mit dem der Mensch die Landschaft und die Natur auflädt: „Ich misstraue nicht der Realität (...), sondern dem Bild von Realität, das uns unsere Sinne vermitteln.“

Angesichts der aktuellen Lage, in der die Flucht in die Natur fast schon Fetisch-charakter annimmt, ist das ein höchst aktueller Befund. Doch Richter ging über die Jahre weiter und weiter und erdachte sich eine

Terra incognita um die andere, auch, um den Betrachter in die Irre zu führen. „Seestück“(Seesee, 1970): Wo ist oben, wo ist unten? Wo sich festhalten in dieser Landschaft ohne einzigen Anhaltspun­kt? Oder „Sankt Gallen“(1989): abstrakt, 6,8 Meter, die fabelhafte Verdichtun­g einer Stadt. Würde man das Bild entlangzie­hen, stünde man gar vor einem gigantisch­en Panorama? Oder ein übermaltes Bild eines venezianis­chen Idylls, eine Interventi­on, um das Trugbild in seine Schranken zu weisen?

Bisweilen schwebt die Frage im Raum, ob die eine oder andere Landschaft nicht gar ein Abbild einer inneren Landkarte ist: Treibende Eisberge in monotoner Landschaft, melancholi­sch bis ins Mark, oder eine idyllische Wolkenform­ation, die traumwandl­erische Leichtigke­it ausstrahlt? Gerhard Richter, er lässt viele Fragen offen, die Antworten darauf muss man sich selbst suchen. Klingt nach Arbeit, stimmt, aber selten ist das so ein Genuss.

Gerhard Richter: Landschaft.

Bis 14. 2. im Kunstforum, Freyung 8, 1010 Wien. kunstforum­wien.at

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