Die entführten Kronjuwelen
Die Historikerin Katrin Unterreiner auf den Spuren des Vermögens der Habsburger.
Der Erste Weltkrieg befand sich in den letzten Zügen, das Habsburgerreich war schon zerbrochen. In Wien etablierte sich eine provisorische Nationalversammlung für das österreichische Gebiet, am 30. Oktober 1918 wurde die erste Staatsregierung unter Karl Renner bestellt. Noch gab es den Kaiser, Karl I., der nicht weichen wollte. Am 1. November in den Abendstunden erschien Leopold Graf Berchtold, 1914 Außenminister und jetzt kaiserlicher Obersthofmeister, in der Schatzkammer der Hofburg und holte Kronjuwelen sowie weitere Schmuckstücke ab. Darunter den „Florentiner“, einen weithin berühmten Diamanten, aus dem Besitz des Burgunderherzogs Karl des Kühnen. Die Schätze brachte Berchtold per Zug nach Zürich. Karl verzichtete am 11. November auf den Thron, am 23. März 1919 ging er mit seiner Familie ins Exil in die Schweiz. Die junge Republik Deutschösterreich hatte gegen die „Entführung“der Kronjuwelen protestiert, doch die einstige Kaiserfamilie war nicht bereit, den Schatz zurückzugeben, behauptete dann, die Juwelen seien gestohlen worden.
Die Habsburg-expertin Katrin Unterreiner zeichnet akribisch den Verbleib der Kronjuwelen nach. Wie der Ex-kaiser sie Stück für Stück verkaufte, Edelsteine herausbrechen ließ, um seine Unternehmen zur Wiedererlangung der ungarischen Königskrone zu finanzieren. Das ist nicht ganz neu, Vermutungen und Berichte gab es immer wieder, doch Unterreiner kann erstmals nachweisen, dass tatsächlich alle Beteiligten im Auftrag des ehemaligen Monarchen tätig waren.
Auch das Vermögen anderer Mitglieder der Familie listet die Historikerin auf. Kaiserin Sisi ließ sich ihren sündteuren Lebensstil samt Reisen von Franz Joseph bezahlen, hortete aber von ihrer Apanage auf geheimen Privatkonten umgerechnet 144 Millionen Euro. Nett auch nachzulesen, wie Erzherzog Friedrich, einer der reichsten Habsburger, dem etwa die Albertina gehörte, als Armeeoberkommandant im Ersten Weltkrieg geschickt seinen Reichtum als Armeelieferant mehrte. Darben mussten die anderen Verwandten freilich nicht. Nachlesbar.
Katrin Unterreiner: „Habsburgs verscholle- ne Schätze“, Verlag Ueberreuter, 199 Seiten, 22,95 Euro