„Das Opernhaus war mein Kinderzimmer“
Von der Theaterbühne ins Agenturbüro. Franz Tscherne hat den Seitenwechsel nie bereut, auch wenn ihn
manche wohl für narrisch hielten.
In seiner Vita erwähnt er, dass er bereits als Sechsjähriger erstmals in die Oper gehen durfte, zu Charles Gounods „Faust“, und sofort von einem Virus befallen waren, das ihn nie mehr losließ. „Ja“, bestätigt Franz Tscherne, „zu Saisonbeginn traf ich Intendantin Nora Schmid auf dem Kaiser-josefplatz und sie sagte: ,Ich wusste gar nicht, dass Sie Grazer sind.‘ Und ich antwortete: ,Nicht nur das – das Opernhaus war mein Kinderzimmer.‘“
Gefördert von seiner musikalischen Familie, zu der auch Großonkel Karl Böhm gehörte, von dem er das Partiturlesen lernte, war Tscherne so oft wie möglich in Vorstellungen, „und bei Puccinis ,La Bohème‘ hielt ich sogar das erste Mal Händchen“. In der Intendantenloge übrigens, denn Carl Nemeth war sein Patenonkel. Den habe er als Schulbub immer gefragt, was er denn nächste Saison plane. Dann habe er die Stücke auf einer Schreibmaschine aufgeschrieben und die ihm passend erscheinenden Besetzungen dazu. Die kleinen Zettel mit seinen Vorschlägen gab er beim Portier ab, und Nemeth machte sich tatsächlich die Mühe, bei diesem Namen ein Hakerl zu setzen, bei jenem Namen Kommentare wie „zu lyrisch“oder Ähnliches hinzuzufügen.
Dem Grazer gelang eine schöne Schauspielkarriere, aber vor rund zehn Jahren schloss sich für ihn der Kreis zu diesen so frühen „Managementversuchen“als Kind. „Ich hatte auf der Bühne oder im Fernsehen immer Erfolg, aber es gab doch auch da und dort Durchhänger“, gesteht Tscherne, „also fragte ich mich, welche Alternativen es denn gäbe. Und da kam für mich nur die Oper infrage – in einem künstlerischen Betriebsbüro vielleicht oder in einer Agentur.“
letztlich entschied? Tscherne hatte sich ab dem Jahr 2000 als Musikschauspieler spezialisiert. Er gab unter anderem 2003 im La Fenice in Venedig den Haushofmeister in „Ariadne auf Naxos“von Richard Strauss und hatte auch Auftritte als Bassa Selim in Mozarts „Entführung“, in „Anatevka“oder „Zar und Zimmer
Eines Tages sei dann die Agentur, bei der er unter Vertrag war, mit der Frage an ihn herangetreten: „Kannst du dir vorstellen, uns dein enormes Wissen über das Musiktheater als Artist Manager zur Verfügung zu stellen?“
Konnte er. Also stellte Tscherne sein bisheriges Leben komplett auf den Kopf, lernte zwei Jahre das Agentenhandwerk, „und dann stand ich am 1. März 2012 mit voller Hose vor der Wirtschaftskammer Wien, um mir den Gewerbeschein abzuholen und mich mit 48 selbstständig zu machen“.
Apropos volle Hose: Auf der Homepage seiner Künstleragentur ist ein Satz von Hugo von Hofmannsthal zitiert, den der Komponist in der „Ariadne“sagt: „Musik ist eine heilige Kunst, zu versammeln alle Arten von Mut.“Wie viel Mut wird denn einem Agenten abverlangt in Zeiten von Corona?
„Extrem viel“, sagt Tscherne, „aber ohne Mut geht ja das ganze Leben nicht. Und ich bewundere alle, die in unserer Branche trotz aller Widrigkeiten couragiert sind und bleiben.“Das seien für ihn etwa Helga Rabl-stadmann“.