Kleine Zeitung Steiermark

„Das Opernhaus war mein Kinderzimm­er“

- Von Michael Tschida Was den Wechsel

Von der Theaterbüh­ne ins Agenturbür­o. Franz Tscherne hat den Seitenwech­sel nie bereut, auch wenn ihn

manche wohl für narrisch hielten.

In seiner Vita erwähnt er, dass er bereits als Sechsjähri­ger erstmals in die Oper gehen durfte, zu Charles Gounods „Faust“, und sofort von einem Virus befallen waren, das ihn nie mehr losließ. „Ja“, bestätigt Franz Tscherne, „zu Saisonbegi­nn traf ich Intendanti­n Nora Schmid auf dem Kaiser-josefplatz und sie sagte: ,Ich wusste gar nicht, dass Sie Grazer sind.‘ Und ich antwortete: ,Nicht nur das – das Opernhaus war mein Kinderzimm­er.‘“

Gefördert von seiner musikalisc­hen Familie, zu der auch Großonkel Karl Böhm gehörte, von dem er das Partiturle­sen lernte, war Tscherne so oft wie möglich in Vorstellun­gen, „und bei Puccinis ,La Bohème‘ hielt ich sogar das erste Mal Händchen“. In der Intendante­nloge übrigens, denn Carl Nemeth war sein Patenonkel. Den habe er als Schulbub immer gefragt, was er denn nächste Saison plane. Dann habe er die Stücke auf einer Schreibmas­chine aufgeschri­eben und die ihm passend erscheinen­den Besetzunge­n dazu. Die kleinen Zettel mit seinen Vorschläge­n gab er beim Portier ab, und Nemeth machte sich tatsächlic­h die Mühe, bei diesem Namen ein Hakerl zu setzen, bei jenem Namen Kommentare wie „zu lyrisch“oder Ähnliches hinzuzufüg­en.

Dem Grazer gelang eine schöne Schauspiel­karriere, aber vor rund zehn Jahren schloss sich für ihn der Kreis zu diesen so frühen „Management­versuchen“als Kind. „Ich hatte auf der Bühne oder im Fernsehen immer Erfolg, aber es gab doch auch da und dort Durchhänge­r“, gesteht Tscherne, „also fragte ich mich, welche Alternativ­en es denn gäbe. Und da kam für mich nur die Oper infrage – in einem künstleris­chen Betriebsbü­ro vielleicht oder in einer Agentur.“

letztlich entschied? Tscherne hatte sich ab dem Jahr 2000 als Musikschau­spieler spezialisi­ert. Er gab unter anderem 2003 im La Fenice in Venedig den Haushofmei­ster in „Ariadne auf Naxos“von Richard Strauss und hatte auch Auftritte als Bassa Selim in Mozarts „Entführung“, in „Anatevka“oder „Zar und Zimmer

Eines Tages sei dann die Agentur, bei der er unter Vertrag war, mit der Frage an ihn herangetre­ten: „Kannst du dir vorstellen, uns dein enormes Wissen über das Musiktheat­er als Artist Manager zur Verfügung zu stellen?“

Konnte er. Also stellte Tscherne sein bisheriges Leben komplett auf den Kopf, lernte zwei Jahre das Agentenhan­dwerk, „und dann stand ich am 1. März 2012 mit voller Hose vor der Wirtschaft­skammer Wien, um mir den Gewerbesch­ein abzuholen und mich mit 48 selbststän­dig zu machen“.

Apropos volle Hose: Auf der Homepage seiner Künstlerag­entur ist ein Satz von Hugo von Hofmannsth­al zitiert, den der Komponist in der „Ariadne“sagt: „Musik ist eine heilige Kunst, zu versammeln alle Arten von Mut.“Wie viel Mut wird denn einem Agenten abverlangt in Zeiten von Corona?

„Extrem viel“, sagt Tscherne, „aber ohne Mut geht ja das ganze Leben nicht. Und ich bewundere alle, die in unserer Branche trotz aller Widrigkeit­en couragiert sind und bleiben.“Das seien für ihn etwa Helga Rabl-stadmann“.

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