Ein Papst auf Abwegen
In seiner aktuellen Enzyklika „Fratelli tutti“setzt Papst Franziskus
seinen erbitterten Kampf gegen die Marktwirtschaft fort.
Verstehe das, wer will.
Vor einigen Jahren machte der schwedische Statistiker Hans Rosling eine interessante Entdeckung. Bei einer groß angelegten Umfrage zeigte sich, dass die Menschen den Zustand der Welt viel schlechter beurteilten, als dieser tatsächlich war. Besonders düster wurde die Lage nicht von den Menschen in den ärmsten Ländern beurteilt, sondern von jenen in den reichsten. Rosling erklärte dieses Phänomen mit den täglichen Alarmmeldungen, die es zu verdauen gilt: Flüchtlingskrise, Klimawandel, Handelskrieg, Brexit, grassierende Armut, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich. Die Fülle an schlimmen Nachrichten trübt den Blick, sie verdrängt die erzielten Fortschritte aus dem Bewusstsein der Menschen.
Und jetzt kommt auch noch die Corona-pandemie dazu. Sie stürzt Millionen von Menschen zurück in die bitterste Armut und zieht eine Spur der Verwüstung durch die westlichen Wohlstandshochburgen. Aus Sicht von Papst Franziskus erteilt uns die Pandemie aber auch eine wichtige Lektion: Corona habe den Beweis erbracht, dass die „magischen Theorien des Markt-kapitalismus“nicht funktionierten, wie er anlässlich der Veröffentlichung seiner jüngsten Enzyklika „Fratelli tutti“meinte.
Wenn sich ausgerechnet der Papst über das Nichtfunktionieren „magischer Theorien“beklagt, ist das nicht ohne Ironie. Zu allem Überfluss enthüllten die „Financial Times“wenige Tage später, dass der Vatikan mit Spenden für die Armen auf den Finanzmärkten spekulierte. Dabei ging es um Wetten auf die Zukunft des Usautoverleihers Hertz. Erst 2018 kritisierte Papst Franziskus derartige Geschäfte als „unethisch“. Dennoch setzte der Heilige Stuhl viel Geld darauf, dass Hertz im April 2020 nicht pleitegehen werde. Hertz stellte den Insolvenzantrag dann im Mai. Eine göttliche Fügung.
Weniger Glück als der Vatikan bei seinen Finanzwetten hat die Marktwirtschaft. Auch in „Fratelli tutti“liest er ihr die Leviten. Die Marktwirtschaft sieht er nicht als Verbündeten im Kampf gegen die Armut, sondern als Täter. Die offenen Handelsgrenzen, das Leistungs- und Effizienzdiktat in den Unternehmen sowie der um sich greifende Individualismus seien verantwortlich für eine immer ungleicher werdende Welt. Zwischen den Zeilen setzt der Papst den Kapitalismus mit Gier, Habsucht, Maßlosigkeit und Egoismus gleich. Als würde es all das im Sozialismus nicht geben.
Dabei sind die Beweise erdrückend, dass gerade der vom Papst so leidenschaftlich gescholtene Freihandel nicht das Problem ist. Sondern die Lösung. Nahezu eine Milliarde Menschen haben in den vergangenen 30 Jahren über den Freihandel den Weg aus der bittersten Armut gefunden. Im Elend zurückgeblieben sind jedoch die Einwohner jener Länder, die sich der Globalisierung verschlossen haben. Eines der schlimmsten Beispiele ist das hermetisch abgeriegelte Nordkorea, dessen Bürger in bitterster Armut darben,