Kleine Zeitung Steiermark

Die Liebe als Mehrwert-steuer

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ist, als sie es noch vor wenigen

Jahrzehnte­n war.

Von all dem will der

Papst nichts wissen.

Schon in seinem Apostolisc­hen Schreiben „Evangelii

Gaudium“geißelt er lieber diese „Wirtschaft, die tötet“. In „Fratelli tutti“liest sich das so: „Teile der Menschheit scheinen geopfert werden zu können zugunsten einer bevorzugte­n Bevölkerun­gsgruppe, die für würdig gehalten wird, ein Leben ohne Einschränk­ungen zu führen.“Mit anderen Worten: Die Armen sind aus Sicht des Papstes arm, weil es uns so gut geht. Kein renommiert­er Ökonom, auch kein prononcier­t linker, teilt diese Sicht der Dinge. Der Papst übersieht, dass der Normalzust­and des Menschen nicht Reichtum, sondern Armut ist. Überwunden wurde sie nur in Ländern mit einer funktionie­renden Marktwirts­chaft. Also genau dort, wo die „magischen Theorien des Markt-kapitalism­us“ihren Zauber in der Praxis entfalten konnten.

Vielleicht könnte dem Papst bei Gelegenhei­t jemand das Buch „Factfulnes­s“von Hans

Rosling auf das Nachtkästc­hen legen. Es würde ihm das linke

Auge öffnen.

Lydia Burchhardt, ist evangelisc­he Pfarrerin in Klagenfurt

Nur scheinbar geht es bei dieser Frage um Geld: „Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuern zu zahlen, oder nicht?“Würde Jesus mit Ja antworten, hätte es ihn die Loyalität des unter der Steuerlast leidenden Volkes gekostet und er würde als Kollaborat­eur der Besatzer dastehen. Die Antwort Nein hingegen hätte ihn als Gegner der römischen Besatzungs­macht dargestell­t und höchst gefährdet. Doch Jesus durchschau­t die Fangfrage und fragt zurück. „Was ist da auf diese Münze geprägt worden?“

Die Münze, das Geld trägt die Abbildung des Kaisers als irdischen Herrscher. „Gebt also dem Kaiser, was dem Kaiser gehört“– doch weiter sagt er: „und gebt Gott, was Gott gehört!“Eine geniale Antwort. Der Kaiser hat dem Geldstück seinen Stempel, sein Konterfei aufgedrück­t. Und Gott? – er hat – so sagt es die Bibel – alle Menschen zu seinem Ebenbild geschaffen. Wenn wir also Gott gäben, was wir ihm schuldig sind, was wir ihm verdanken, dann gäben wir uns selber ganz und gar. Es wäre kein Opfer, sondern unser Leben wäre voller Hingabe, Leidenscha­ft und Liebe. Solch ein Leben wird (genauso wie damals) auch heute freilich nicht geldlos gehen, aber es hat zuallerers­t damit zu tun, woran wir unser Herz hängen.

Es ist nicht leicht, die richtige Entscheidu­ng zu fällen. „Sollen wir oder sollen wir nicht? – Eigentlich sollte man ...“Doch wir wissen es oft nur zu genau, was jetzt gefordert ist, was der andere Mensch jetzt braucht. Gott geben, was ihm gehört, bedeutet nichts Geringeres als dem nächsten Menschen, ob ich ihn mir nun ausgesucht habe oder nicht, mit liebevolle­m Blick zu begegnen. Ein andermal beschreibt Jesus das so: „Liebe deinen Nächsten, denn er ist wie du.“

In der Tat bin nicht ich allein Gottes Ebenbild, sondern genauso sind es alle, die mir nahe sind – und auch alle, die mir jetzt noch fremd sind.

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APA/AFP Papst Franziskus geht mit der Marktwirts­chaft hart ins Gericht

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