Kleine Zeitung Steiermark

Mazeltov! Eine Sternstund­e

„Anatevka“ist ein eindringli­ches Musical, das mit Konvention­en des Genres bricht. Bei Regisseur Christian Thausing und seinem Debüt am großen Haus war es in besten Händen.

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Milchmann Tevje, die Hauptfigur, mit den anderen Bewohnern flüchten kann. Ein Happy End sieht in der Musical-welt freilich anders aus. Mitunter wird dieses Chor- und Ensemblest­ück auch als „Melancholi­cal“bezeichnet.

Es basiert auf Geschichte­n über einen Milchmann des russisch-jüdischen Schriftste­llers Scholem Alejchem, der, wie sein Tevje, 1905 nach Pogromen das Zarenreich verließ und 1916 verarmt in New York starb. Natürlich treiben Liebesgesc­hichten und die Verheiratu­ng der Töchter die Handlung in den drei Stunden (mit Pause) voran, aber selten dreht sich ein Musicalabe­nd, den man beeindruck­t und bewegt verlässt, um die Bewahrung von körperlich­er wie kulturelle­r Existenz.

Doch was alles hat der „Fiddler on the Roof“damit zu tun?

Ist er unsere innere Stimme, unsere innere Melodie, unser Gewissen, eine höhere Macht? Thausing löst das mit seinem exzellente­n Team – Choreograf­in Evamaria Mayer, den Ausstatter­n Timo Dentler und Okarina Peter sowie Lichtdesig­ner Sebastian Alphons – wunderbar und trotz der Verhaftung in 1905 als lebendes Bildnis. Mit einem ständig anwesenden Fiedler auf dem aufgestell­ten Koffer, der im

auch für das Ensemble, angeführt vom sowohl balanciert singenden als auch glaubhaft spielenden Duo Ivan Oreˇsèanin (Tevje) und Susan Rigvava-dumas (Golde). Erwähnt werden müssen die Töchter (Josephine Renelt, Sieglinde Feldhofer und Evamaria Schmid), ein stimmlich aufblitzen­der und als Christ Fedja Akzente setzender Mario Lerchenber­ger sowie Uschi Plautz, die als Heiratsver­mittlerin köstliche Momente hat.

Fazit: Der Stellenwer­t des Musicals an der Oper Graz bleibt nach „Ragtime“, „Kiss Me, Kate“und „Guys and Dolls“erfreulich hoch. Weltklasse!

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