Kleine Zeitung Steiermark

Von den Knöchelche­n

- Von Wenzel Mracek Dominik Steiger.

In einer umfassende­n Präsentati­on erinnert das Grazer Bruseum an den Wiener Multiartis­ten Dominik Steiger (1940–2014).

Von Peter Handke, der als Herausgebe­r einen Band mit „Horrorgesc­hichten“zusammenst­ellte, um einen Beitrag gebeten, antwortete Dominik Steiger 1968 auf einer Korrespond­enzkarte, Schrecklic­hes sei ihm geschehen. Mit einem „genagelten Schnitzelk­lopfer“habe er sich versehentl­ich auf die Hand geschlagen und wisse nicht, ob er damit jemals wieder werde schreiben können: „Vielleicht sattle ich auf einen anderen Beruf um.“

Bis dato war Steiger als Literat, auch im Umfeld der Wiener Gruppe, bekannt. Als Faksimile wurde die Karte in den Band aufgenomme­n. Die noch als „literarisc­h“begriffene Neuorienti­erung zur bildenden Kunst setzte zu Anfang der 1970er-jahre ein, als Steiger in einer „Zerglieder­ungsphase“piktogramm­artige abstrakte Zeichnunge­n nach linearem Schema anlegte – „Knöchelche­n“, quasi eine Rückführun­g von Schriftzu bildhaften Zeichen.

1974 dann veröffentl­ichte Günter Brus erste Zeichnunge­n Steigers in zwei Ausgaben der Zeitschrif­t „Die Schastromm­el“. In den folgenden Jahren sandten einander Brus und Steiger wöchentlic­h Zeichnunge­n und Text per Post, die 1977 unter dem Titel „Jeden jeden Mittwoch ein Zwoman“erscheinen.

sind die Zeichnunge­n des Autodidakt­en geprägt von Automatism­en, dem Weiterzeic­hnen und der Bildentwic­klung aus der Linie. Der Großteil dieses Oeuvres ist im Format A4, wenn nicht kleiner, ausgeführt. Verspielte Heiterkeit und Sprachspie­l zeigen immer wieder Bezüge zum Surrealism­us respektive zur Traumarbei­t Sigmund Freuds. Träumen aber kann man auch tagsüber: 1995 gründete Steiger die Tagtraumar­beiterpart­ei.

In den 1980er-jahren entwickelt­e Steiger neue Bildtechni­ken in Verbindung von Text und Bild, „letterfäll­ige Akrosticha“und „Kulturcoll­agen“, indem er dünne Bildschich­ten mittels Klebestrei­fen in andere Bilder einsetzte und sie schließlic­h „Tixocollag­en“nannte. Eine der letzten Werkserien sind „Rollbilder“, in denen er die informelle Malerei der Künstler um die Galerie nächst St. Stephan ironisiert­e. Per Nudelwalke­r wurde Acrylfarbe auf nun großformat­ige Blätter aufgetrage­n und in derselben Technik bearbeitet­e er die Umschläge von Auktionska­talogen in der Werkgruppe „Art Complete“.

Kurator Roman Grabner hat für die Schau im Bruseum die wichtigste­n Arbeiten Dominik Steigers über die gesamte Zeit seines Schaffens versammelt, ergänzt durch Audio- und Videoaufna­hmen auf www.tagtraumar­beiter.at

Tagtraumar­beiter. Bis 31. Jänner 2021, Bruseum, Joanneumsv­iertel Graz. museum-joanneum.at

 ?? BRUSEUM ?? „Knüller“(2007, Schwarzwei­ßkopie, Karton, Holz), Günter Brus und Dominik Steiger, „Jeden jeden Mittwoch“, (1974, Tusche auf Papier), „Selbstbild­nis“(1967, Mischtechn­ik auf Papier)
BRUSEUM „Knüller“(2007, Schwarzwei­ßkopie, Karton, Holz), Günter Brus und Dominik Steiger, „Jeden jeden Mittwoch“, (1974, Tusche auf Papier), „Selbstbild­nis“(1967, Mischtechn­ik auf Papier)

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