Wenn das Füllhorn Missgunst schürt
Mit dem zweiten Lockdown hat die Regierung, die von der Wucht der wiederkehrenden Coronawelle völlig unvorbereitet überrollt wurde, die Schleusen geöffnet. Zum Ausbruch der Pandemie im Frühjahr wurden zwar viele Milliarden an Hilfen in Aussicht gestellt, doch tröpfelte der Geldsegen nur spät und spärlich. Jetzt aber wird ein wahres Füllhorn ausgeschüttet.
Der Umsatzersatz, den Deutschland mit 75 Prozent begrenzte, wurde von Österreich mit 80 Prozent überboten. Zusätzlich werden, anders als bei den Nachbarn, bei uns Kurzarbeiter-unterstützungen und Fixkostenzuschüsse nicht gegengerechnet. Manche Gastwirte und Hoteliers werden also in der Zeit des erzwungenen Stillstands mehr verdienen als im November letzten Jahres. (Es überrascht deshalb nicht, dass auch die Landwirtschaft beim Geldsegen nicht zu kurz kommen will. Für Urlaub am Bauernhof braucht es nicht den Weg über Finanz Online, sondern man kann gleich direkt in den Agrar-subventionstopf greifen.)
Von Überförderung könne man aber trotzdem nicht reden, argumentieren die Wirtschaftskämmerer. Der Umsatzersatz sei auch als Ausgleich für das insgesamt miese heurige Jahr gedacht. Das stimmt zweifellos. Die Großzügigkeit hat allerdings Folgen.
So war es nicht mehr möglich, dem später von der Schließung betroffenen Handel bloß Fixkosten und Löhne abzugelten. Auch ihm wird der entgangene Umsatz ersetzt, abgestuft zwar, aber immerhin bis zu 60 Prozent. Der Finanzminister zeigte sich nicht kleinlich. Die maximale Entschädigung wird nicht nur an Händler mit leicht verderblicher Ware ausbezahlt. Selbst Modegeschäfte werden wie Blumenläden eingestuft. as passiert aber, wenn bis 6. Dezember die Seuchengefahr nicht eingedämmt werden konnte? Laufen dann die Milliarden verschlingenden Hilfen einfach weiter? Eine Neiddebatte droht: Warum bekomme ich nicht die Unterstützung, die anderen gewährt wird? Zu befürchten ist, dass das Corona-füllhorn nicht Zufriedenheit herstellt, sondern Missgunst schürt.
„Manche Gastwirte und Hoteliers werden in der Zeit deserzwungenen Stillstands mehr verdienen als im November letzten Jahres.“
Wwar Chefredakteur der Kleinen Zeitung