(K)ein würdiger Abschied
Zwei Schlüsselerlebnisse zur Untermauerung meiner positiven Einstellung zum selbstbestimmten Sterben: Mein Vater bekam mit 60 Jahren Krebs. Er absolvierte die gesamte Palette der schulmedizinischen Therapien. Ergebnis: Zusehends verkümmerte er körperlich und seelisch. Sobald Mutter das Essen zu Tisch brachte, stand er auf, ging zur Toilette, um sich dort zu übergeben. Nächtens, wenn er wieder einmal nicht schlafen konnte, saß er im Bett und weinte. Das ging zwei lange Jahre so. Mit 62 Jahren, viel zu jung, konnte mein Vater endlich sterben. Auch ein Onkel von mir verstarb an Krebs. Als er vom Arzt nach Hause kam, sagte er erfreut: „Der Herr Doktor hat mir dieses Medikament gegeben. Er sagte, damit werde ich den ganzen Tag schmerzfrei sein.“Doch bereits nach einer Stunde kam er aus seinem Zimmer, krümmte sich vor Schmerzen und war verzweifelt, dass dieses Medikament nun auch nicht helfen konnte.
Das Sterben dieser beiden Männer war kein würdiger Abschied. Ich hatte bisher ein recht schönes Leben. Ebenso möchte ich es beenden. Wir müssen auch nicht unbedingt die Ärzte dazu nötigen, diese Verantwortung zu übernehmen. Ich übernehme sie selbst!
Wien
Es tut gut, positive, menschenverbindende Sichtweisen in Zeiten individualisierungsgetriebener Ich-standpunkte dargestellt zu bekommen. Rücksichtnahme und Einsicht hängen wohl zusammen. Ergänzend in dieser Frage der besonderen Schutzwürdigkeit älterer Menschen muss gesagt werden, dass ja auch jüngere in diese Situation kommen. Ich bin 64 und wegen eines gut behandelbaren, aber unheilbaren Karzinoms mit Immunsuppression in Dauerbehandlung, habe COPD und eine Herzschwäche. Ich stehe aber weiterhin im Beruf. Covid-19 – besser nicht. So sehr ich manchmal ältere Mitmenschen wegen ihrer Ansprüche sogar verurteile, genauso steht für mich außer Zweifel, dass allen Menschen ohne Unterschied Zeit ihres Lebens die bestmögliche medizinische Versorgung zukommen muss.
Graz