Chimäre Demokratie
Mit Entsetzen habe ich die Leserbriefe gelesen, deren Tenor die Anprangerung wichtiger Oppositionsarbeit ist. Es wurde SPÖ, Neos und FPÖ nahegelegt, doch bitte kritische Stimmen bis zum Ende der Pandemie für sich zu behalten. Dass wir in einer „Reißts euch zusammen“mentalität seit Monaten eben das vergessen, was unsere Demokratie ausmacht, ist äußerst bedenklich. Dass die Sorge um unsere Verfassung, die durch Gesetze und Verordnungen der Regierung augenscheinlich dradie matisch in Mitleidenschaft gezogen wird, zu einem Luxusproblem geworden ist und darauf verwiesen wird, der Regierung müsse uneingeschränkter Spielraum zur Bekämpfung von Covid-19 eingeräumt werden, erschüttert mich zutiefst. Jene, die der Meinung sind, die Opposition solle in einer Krise ihre Kritik für sich behalten, zeigen, dass sie das Wort „Opposition“nicht verstanden haben. Wann, wenn nicht jetzt, muss mit Argusaugen beobachtet und jede Einschränkung unserer Grundrechte bis ins Detail aufgearbeitet werden? Demokratie darf nicht zu einer Chimäre verkommen. Die Übergehung der Opposition und die Einschränkung der Grundrechte mag die Politik eines Viktor Orbán, darf aber nicht der Anspruch eines österreichischen Bundeskanzlers sein. Judenburg