Die Geduldsprobe
Die Regierung lockerte die Regeln des Lockdowns nur geringfügig. Der Weg zur verheißenen Normalität bleibt weit, die Geduldsprobe beginnt gerade erst.
Nun wissen wir, wie es kommende Woche weitergehen soll – der Lockdown bleibt, aber mit Abschwächungen. Zu groß erscheint der Bundesregierung und ihren Beratern offenbar das Risiko, durch großzügige Öffnung vieler Lebensbereiche das Erreichte in kürzester Zeit wieder zu verspielen. Es gilt, einen dritten Lockdown, der in manchen Ländern schon unausweichlich scheint, in Österreich zu verhindern.
Das Ziel, durch die Verschärfung der Einschränkung unserer Bewegungsfreiheiten Mitte November ein relativ uneingeschränktes Weihnachtsfest gewährleisten zu können, erwies sich als zu hochgesteckt. Es wird ein gedämpftes Fest sein, gefeiert im kleinen Familienkreis. Wem es gelingt, die Vorzüge der Einschränkungen zu sehen und die enormen Kosten auf allen Ebenen von Wirtschaft und Gesellschaft auszublenden, der mag das als beschaulich empfinden.
Am härtesten trifft die Verlängerung des Ist-zustandes Gastronomie und Hotellerie, die noch einen Monat warten müssen, ehe sie wieder ihre
Pforten öffnen dürfen. Kulturveranstalter, die auf Lockerungen gehofft hatten, wurden auf Anfang Jänner vertröstet, ohne genau zu wissen, was dann tatsächlich möglich sein soll. Hängt von den Fallzahlen ab, lautet die stereotype Antwort, die wir fast täglich hören, seit die Pandemie unser gewohntes Leben gekapert hat. Wie zum Trost dürfen Museen und Bibliotheken nächste Woche öffnen – ein kleiner Bonus, den der viel gescholtene Kulturminister Werner Kogler und seine Staatssekretärin Andrea Mayer für ihren Bereich ausverhandeln konnten.
Die riskanteste Maßnahme, die gestern beschlossen wurde, betrifft die Öffnung des Handels mitten in der Vorweihnachtszeit. Wenn irgendwo, dann kann die Eindämmung des Virus im wilden Gedränge Kaufwütiger rasch wieder verspielt werden. Dagegen fallen die Schulen, die mit Maskenpflicht für über Zehnjährige und Distance Learning für die Oberstufe relativ eingeschränkt wieder ihre Tore öffnen, vermutlich weniger ins Gewicht. Ob die Genehmigung für Liftbetreiber, ihre Anlagen ab Weihnachten in Betrieb zu nehmen, angesichts der Reisebeschränkungen und geschlossener Hotels ein Vorteil ist, wird sich noch zeigen.
Die Öffnungsschritte ändern am Grundprinzip der Pandemie nichts: Jede Begegnung mit Menschen außerhalb des eigenen Haushalts erhöht das Ansteckungsrisiko. Diese lebensfeindliche Grundregel gilt, unabhängig von Vorschriften. erspektivisch werden wir im Sommer zur Normalität zurückkommen, aber bis dahin sind es noch sechs Monate“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz. Wer gehofft hatte, am 7. Dezember würde alles wieder gut, den musste spätestens dieser Satz auf den harten Boden der Realität zurückwerfen. Es kommen harte Zeiten des Wartens, des Hoffens und eines zaghaften Neubeginns auf uns zu. Die Geduldsprobe beginnt erst.
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