Kleine Zeitung Steiermark

„Hört mir zu, vermesst mein Herz“

- Von unserem Korrespond­enten Julian Heißler aus Washington

Der neue Us-präsident ruft vor dem Kapitol zur Versöhnung auf. Politik müsse kein Feuer sein. Die Amtseinfüh­rung war historisch – mit der Angelobung der ersten Vizepräsid­entin

Kamala Harris und auch ohne Publikum.

Als Popsängeri­n Lady Gaga vor dem Kapitol die amerikanis­che Nationalhy­mne anstimmt, reißt plötzlich die Wolkendeck­e über der Hauptstadt auf. Sonnenstra­hlen fallen auf die Tribüne, auf der Nochnicht-präsident Joe Biden, seine Vize Kamala Harris und andere Ehrengäste Platz genommen haben. Es wirkt wie ein Signal dafür, dass dieser Tag trotz aller Schwierigk­eiten doch noch versöhnlic­h enden könnte.

Biden hat lange – sehr lange – darauf gewartet, auf dieser Bühne zu sitzen. Seine erste Präsidents­chaftskand­idatur erklärte er 1987. 34 Jahre später hat er nun sein Ziel erreicht. Um 11.48 Uhr legt er den Amtseid auf die Verfassung ab – zwölf Minuten bevor seine Präsidents­chaft tatsächlic­h beginnt. Trotzdem tritt er umgehend ans Rednerpult, um sich an die Nation zu wenden. Biden, so viel ist klar, will keine Zeit mehr verlieren.

Es ist ein Appell an die Einigkeit, den das frisch vereidigte Staatsober­haupt an die Nation richtet. „Wir erleben Wut, Ressentime­nts und Hass. Wir sehen Extremismu­s, Gesetzlosi­gkeit, Gewalt, Krankheit, Arbeitslos­igkeit und Hoffnungsl­osigkeit. All dem müssen wir uns stellen, all das müssen wir besiegen“, so Biden. „Zeigt einander Respekt. Politik muss kein Feuer sein, das alles auf seinem Weg zerstört.“Und an seine Gegner gerichtet sagt er: „Hört mir zu, vermesst mein Herz!“Es ist eine kaum verhohlene Zurückweis­ung der Politik seines Vorgängers, die Biden da vor dem Kapitol beschwört. Dessen Namen erwähnt er jedoch nicht einmal. rotzdem ist die Hinterlass­enschaft von Donald Trump in jedem Moment der Amtseinfüh­rungszerem­onie spürbar – auch für seinen Nachfolger. Während seiner Rede bietet sich dem neuen Präsidente­n ein Bild, wie es keiner seiner Vorgänger bei seiner Amtsüberna­hme zu sehen bekam. Anstatt sich auf der Mall, der meilenlang­en Grünfläche im Zentrum von Washington D.C., von Hunderttau­senden Anhängern feiern zu lassen, blickt Biden lediglich auf ein kleines Publikum von rund 1000

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