„Hört mir zu, vermesst mein Herz“
Der neue Us-präsident ruft vor dem Kapitol zur Versöhnung auf. Politik müsse kein Feuer sein. Die Amtseinführung war historisch – mit der Angelobung der ersten Vizepräsidentin
Kamala Harris und auch ohne Publikum.
Als Popsängerin Lady Gaga vor dem Kapitol die amerikanische Nationalhymne anstimmt, reißt plötzlich die Wolkendecke über der Hauptstadt auf. Sonnenstrahlen fallen auf die Tribüne, auf der Nochnicht-präsident Joe Biden, seine Vize Kamala Harris und andere Ehrengäste Platz genommen haben. Es wirkt wie ein Signal dafür, dass dieser Tag trotz aller Schwierigkeiten doch noch versöhnlich enden könnte.
Biden hat lange – sehr lange – darauf gewartet, auf dieser Bühne zu sitzen. Seine erste Präsidentschaftskandidatur erklärte er 1987. 34 Jahre später hat er nun sein Ziel erreicht. Um 11.48 Uhr legt er den Amtseid auf die Verfassung ab – zwölf Minuten bevor seine Präsidentschaft tatsächlich beginnt. Trotzdem tritt er umgehend ans Rednerpult, um sich an die Nation zu wenden. Biden, so viel ist klar, will keine Zeit mehr verlieren.
Es ist ein Appell an die Einigkeit, den das frisch vereidigte Staatsoberhaupt an die Nation richtet. „Wir erleben Wut, Ressentiments und Hass. Wir sehen Extremismus, Gesetzlosigkeit, Gewalt, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit. All dem müssen wir uns stellen, all das müssen wir besiegen“, so Biden. „Zeigt einander Respekt. Politik muss kein Feuer sein, das alles auf seinem Weg zerstört.“Und an seine Gegner gerichtet sagt er: „Hört mir zu, vermesst mein Herz!“Es ist eine kaum verhohlene Zurückweisung der Politik seines Vorgängers, die Biden da vor dem Kapitol beschwört. Dessen Namen erwähnt er jedoch nicht einmal. rotzdem ist die Hinterlassenschaft von Donald Trump in jedem Moment der Amtseinführungszeremonie spürbar – auch für seinen Nachfolger. Während seiner Rede bietet sich dem neuen Präsidenten ein Bild, wie es keiner seiner Vorgänger bei seiner Amtsübernahme zu sehen bekam. Anstatt sich auf der Mall, der meilenlangen Grünfläche im Zentrum von Washington D.C., von Hunderttausenden Anhängern feiern zu lassen, blickt Biden lediglich auf ein kleines Publikum von rund 1000
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